EIN INTERVIEW MIT THE BLECH

Sie nehmen das Leben, wie es ist: als ein wahnwitziges Simuttankonzert von Morden, Kulturschwindet, Erotik und Sauerkraut. Sie zerfetzen die Ethik und die Lüge der persönlichen Verantwortung; sie lösen das Leben in ein Gelächter auf. Dieses Leben heißt keineswegs Leben lassen. Dieses Leben heißt auch Gemeinheit, Notzucht und Besoffenheit - es ist der ewige Streit der Gegensätze. (..) Das Paradies zu wollen, ist ein Mißverständnis des Lebens überhaupt.-

Die da das Leben so nehmen, wie es angeblich ist, heißen The Blech; der da beschreibt, wie The Blech das Leben so nehmen, wie es angeblich ist, heißt Hubl Greiner und ist Schlagzeuger, Perkussionist und Produzent einer Band, die der Spiegel als "kompetente Spinner" und der Stern als "grenzenlos" bezeichnete. Der hohe Standard des Stoffes, mit dem The Blech ihre Abnehmer versorgen, ist dabei unumstritten.

BÜHNENLEBEN

lnterior.- Ein wesentliches Merkmal Eurer letzten LP besteht in der Mitgestaltung durch Gastmusiker. Jedoch sieht man Euch auf der Bühne fast ausschließlich in der Grundbesetzung - aus finanziellen Gründen?

Greiner: Mit den Gastmusikern treten wir nie auf. Die Gastmusiker waren immer nur als Studioprojekt einbezogen. Bei der letzten Produktion war das im Fall von Ze Eduardo Nazario eh klar: Ich bin mit dem provisorischen Band noch Brasilien geflogen und habe in Sao Paulo Musiker gesucht. Ich dachte anfangs, das wäre total einfach - es hat zwei Monate gedauert bis ich einen Musiker wie Nazario gefunden habe. Das war dann aber genau auf den Punkt getroffen, ein wirklich tolles Erlebnis. Ich mache eigentlich immer einen Trennungsstrich zwischen der Studioarbeit und den Auftritten. Die Arbeit im Studio ist für mich näher am Musiker, ich kann arrangieren - live ist das ganz anders...

lnterior: Beinhaltet dieser Unterschied auch abweichende lnterpretationstormen?

Greiner: Im Studio schöpfen wir halt Sound-Möglichkeiten aus, die wir auf der Bühne nicht haben. Auf der Bühne ist ein anderes Moment da. Da geht es um die Power, die Person, die das Ganze repräsentiert. Das hat beides seinen Reiz, an beidem kann man arbeiten.

DEFINITIONEN

lnterior: Würdet Ihr Euch als avantgardistisch bezeichnen?

Greiner: ... als Unterhaltungsmusiker.

lnterior: Was darf man von einer Band erwarten, die von der 'Bravo' "bewußtseinserweiternd- genannt wird?

Greiner: Ich habe gar keine Lust das zu definieren, weil das 'Bravo'-Mist ist. Das haben die geschrieben, um was zu schreiben - damit kann ich auch nichts anfangen. "Bewußtseinserweiternd-, das ist Quatsch.

Was man vielleicht sagen kann: ich erhoffe mir, daß wir die Phantasie anregen, einen Phantasieraum öffnen. Es ist schön, wenn Leute auf unsere Arbeit reagieren, für sich dabei etwas herausziehen und vielleicht auch anfangen, selber kreativ zu werden. Und wenn's nur einer ist von Vielen, dann hat das Ganze einen Sinn - aber das hat nichts mit Bewußtseinserweiterung zu tun.

POLITISCH

lnterior: Seht Ihr Euch als politische Band?

Greiner: Alle Art von Musik ist politisch.

lnterior: Implizit, sicher - und ausdrücklich?

Greiner: Es gibt keine konkrete politische Aussage, für mich ist trotzdem alles politisch, was wir machen. Wir stehen auf der Bühne und vermitteln Bilder die die Öffentlichkeit reflektiert. Das sind Prozesse, die wirklich stattfinden. Wir sind unterhaltend, aber wir fordern die Leute auch - die Leute werden mit uns und unseren Idee konfrontiert.

lnterior: Der Begriff der Unterhaltung ist in diesem Zusammenhang etwas schwierig. Wir sprechen doch wohl nicht von der breiten Masse, sondern von einem ganz bestimmten Publikum...

Greiner: Auch ein "ganz bestimmtes Publikum" liebt gute Unterhaltung.

RUHM UND EHRE

lnterior: Weiche Rolle spielt der Erfolg?

Greiner: Erfolg gibt Befriedigung. Erfolg ist für mich alles, was Deine Person ausmacht. Ohne Erfolg kannst Du nie gute Arbeit machen.

Du machst natürlich dein eigenes Ding. Wir haben eine klare Vorstellung von dem, was wir machen wollen. Bestes Beispiel. Wir haben für die letzte Platte ein Angebot von Ariola gehabt.

lnterior: Warum habt Ihr abgelehnt?

Greiner: Ich traue den Leuten nicht. Die haben keine Erfahrung wie man mit unserer Art von Musik umgeht. Und ich traue uns nicht. Wir lieben unsere Unabhängikeit, sie ist unser kreativer Nährboden.

Ich versuche lieber meine eigene Infrastruktur so gut wie möglich auszubauen. Das ist die Basis.

VON ZWECKEN UND MITTELN

Musiker wie wir sollten auch von der Musik-Industrie lernen. Beispielsweise wenn es um den visuellen Zugang zur Musik auf der Bühne geht. Die 'Einstürzenden Neubauten' haben das schon immer getan.

lnterior: Die Methoden sind egal?

Greiner: Nein, aber es ist schwer zu entscheiden, was richtig ist. Ich versuche auf eine gesunde Art selbstkritisch zu bleiben.

lnterior: Von der Label-Philosophie zu einer konkreten Frage. Mit "Der Zertretene Mann Blues" habt Ihr ein Gedicht von Ernst Jandl vertont. Kennt er das Stück?

Greiner: Ja, er war begeistert und freute sich sehr, daß wir es vertont haben. Wir sind Fans von Ernst Jandl. Er ist ein großer Mann.

GESAMTKUNST

lnterior: Eine weitere Episode in der Band-Geschichte oder ein Schritt in Richtung Gesamtkunstwerk?

Greiner: Es hat immer wieder am Rande damit zu tun. Unser Aktivitäten sind für mich persönlich ein wichtiger Teil meiner Entwicklung, genau wie für die Band. Bei jedem Versuch eine Idee zu realisieren, kommt ein neuer Horizont dazu - das ist ein guter Weg, sich zu entwickeln.

lnterior: Welche Rolle spielt für Euch die Spontaneität?

Greiner: Es gibt Momente, die klar strukturiert und konzipiert sind und es gibt Momente, in denen die Improvisation fester Bestandteil ist. Das ist beides wichtig und wird sich nicht ändern.

Tom Hulks 1992

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