Presse [ deutsch ]

THE BLECH – [ Auszüge Presse deutsch ]

Spiegel
THE BLECH bricht Gewohnheiten und stiftet eine seltene Verbindung aus Witz und Avantgarde.

Stern
Grenzenlos

Magazyn Muzyczny – Warschau
Der wohl spannendste, zeitgenössischte und irritierenste Versuch in der Musik
neue Wege zu gehen

Spex
Kompromißlos, eigensinnig und drastisch verquer

Radio Spazio Uno/Neapel
THE BLECH versorgt den breiten Hintern der Bürger mit Pfeffer.

Spiegel
Kompetente Spinner

Zeit
Sehnsucht und Schmelz und eine durchgeknallte paranoische Überzeugungskraft die alle Sicherheit der bekannten Form zersetzt und Raum schafft für die große Ungewißheit

Wire
The Blech´s marvellous Rupert Volz, who fronts the German quartet like Peter Allen but sings like Nina Hagen – Brechtian punk-artistry

Stern
Die Texte – undefinierbare Bruchstücke verschiedener Sprachen, werden genial dem irrwitzigen Spiel angepaßt.

Jazz Magazin – Paris
Eine der interessantesten neuen Bands dieser Zeit

Neues Volksblatt – Österreich
Eine der kreativsten Gruppen überhaupt

EAR Magazin – New York
An important German rock group

Prachute – Chicago
A lot of intelligence and energy in this group

UH Revista – Rio de Janeiro
O sucesso mais irritante

Prinz
Sie sind musikalisch bereits im Jahr 2000

Hifi Vision
Tosender Ideenreichtum, der hierzulande seinesgleichen sucht

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Ein wirklicher Geheimtip

WOM Journal
Bewundernswerter Ideenreichtum und Kreativität

Akzente
… The Blech, deren innovativer Geist für Musiker wie John Zorn Pionierarbeit erledigte.

POP NOISE
Seit Jahren obskurste Unterhaltungsformation auf deutschem Boden –
ich bin verliebt in sie

Litfass
Liefern seit Jahren neue Ideen im Musikgeschäft

Frankfurter Rundschau
Aggressivität und Schönheit

Bravo
Bewußtseinserweiterung

Artemy Troitsky – Moscow Times
… pseudo-operatic voice, exotic rhythms and a sense of twisted tongue-in cheek kitsch – something nobody does better than the Germans

Observer – Wien
Vorreiter einer neuen Generation geistreicher, deutschsprachiger Pop-Protagonisten

Jazzthetik
Geniale Geistes – Globetrotter

NMI Messitsch
Ein Abenteuer

Erlanger Nachrichten
Zukunftsmusik – THE BLECH setzt neue Maßstäbe

New music report – New York
This is fun to listen

Vorarlberger Nachrichten
Das Genialste und Aufregendste was Deutschland zu bieten hat

Westdeutsche Zeitung
Eine der wenig ernst zu nehmenden deutschen Bands

WOM Journal
Bewundernswerter Ideenreichtum und Kreativität

TAZ
Tonales Ungewitter

Wiener
Geniales Bruchstück irrwitzigen Spiels

Carlino Forli – Italien
THE BLECH – uno dei gruppi piu importanti della scena del nuovo rock tedesco

Republican Lorrain – Frankreich
Intelligence et energie du rock actuel

Zitty Berlin
Selten waren sich Stern, Spiegel, Zeit, Süddeutsche, Welt, FAZ, FR, diverse Stadtzeitungen und Musikblätter so einig. Die FAZ beschrieb die Blechmusik wie folgt: „Erstes kräftiges Grün auf dem 70er Jahre Müll. Brodelnde Großstadtrhythmen, verschlissen Arabisches, derbe Dada-Genialität plus Opera Curiosa.

Hubl Greiner, Rupert Volz und Therofal bedienen sich aus allen Schubladen, ob sie Art-Rock, FreeJazz, No-Wave, Disco oder Free-Punk heißen, würzen das Ganze mit Sprechgesängen, die Hugo Ball gewidmet sind, lassen die kurdische Sängerin Delal ans Mikro oder intonieren in klassischem Gesangsstil, vor Überraschungen ist jedenfalls niemand sicher.

Schwäbische Zeitung
The Blech ist die Zukunft der Rockmusik. Die Band gehört mit ihrer Mischung aus Minimal Musik, Rock, Jazz und Weillscher Oper mit Dada-Texten zu den etablierten Avantgarde-Gruppen auf dem Globus. Dabei strahlen die Musiker neben Kompetenz auch noch jede Menge Spaß und Spontaneität aus.

Helmut Hein
Nach „Blurt“ waren jetzt mit „The Blech“ erneut Jazz-Wilde am Werk, die sich in keine Schublade pressen lassen. Eines der raren Konzerte, das man gern mit „pures Glück“ überschreibt.

Jazzforum
“ THE BLECH, etwas Ungeheures, was dich brutal einsaugt. Ex-DADA, Ex-PUNK, ein wenig Arabien, total viel The Blech und nix anderes. Einmal dagewesen und schon süchtig. Treibende Rhythmen, schrille Sounds und wilde Gesänge … eine bizarre Parodie auf den realen Irrsin unserer Zeit.“

M.Möller DT64 Berlin
Irritation – Zerstörung – Aufbau – wer The Blech nur von Platte kennt, hat nur eine bloße Ahnung von dieser Gruppe. Die Wucht mit der sie ihre Überzeugung über die Rampe auf das Publikum schleudern, ist meist physischer und erotischer Natur zugleich. … The Blech steht mit an vorderster Stelle, wenn man über den Sound der kommenden Jahre spekuliert.

Ernst Jandl
“ Eine großartige Platte, vielen Dank “ (Ich wollte meine Schuhe zerschneiden)

Ben Portis „Parachute“ (Kanada)
In den 30er und 40er Jahren wurde in Deutschland die Entwicklung der vitalen Avantgarde von offensichtlichen, politischen Ereignissen vereitelt. The Blech zeigt was sein könnte – wenn all die Ball´s Brecht´s Poeten und Radikale mehr Platz zu operieren gehabt hätten.

H. Gotoh – Tokyo
THE BLECH are frontrunners with respect to the sounds of the future.

UH Revista – Rio de Janeiro
O sucesso mais irritante

Ben Portis in Parachute
(Kanada, Februar 1990)

„In den 30er und 40er Jahren wurde in Deutschland die Entwicklung der vitalen Avantgarde von offensichtlichen, politischen Ereignissen vereitelt. THE BLECH zeigt was sein könnte – wenn all die Ball´s Brecht´s Poeten und Radikale mehr Platz zu operieren gehabt hätten – zeigt die Beschwörung der zwitterhaften Pracht des deutschen Cabarets und integriert den weltweiten Tourismus der Kulturen. The Blech steuern auf ein halbes Jahrzehnt zu. Wenn jemandem aus der Musikszene ein Stammplatz in Cafe Voltaire gebührt, dann sind es THE BLECH.

M.Möller – DT64 Berlin

THE BLECH haben in diesen 5 Jahren mit ihrem endlosen Wirrwarr an Verbindungen mit geholfen, ein musikalisches und künstlerisches Jahrtausend umzuwerfen, das sich als Grundlage der Beziehung zwischen Mensch und Natur an Harmonien geklammert hat. Aufbau und Zerstörung – Chaos und Ordnung – Agressivität und Schönheit, all diese Gegensätze haben sie zu einem phantastischen, aber auch harten Lebensgefühl vereint. Wer THE BLECH nur von Platte kennt, hat nur eine bloße Ahnung von dieser Gruppe. Die Wucht mit der sie ihre Überzeugung über die Rampe auf das Publikum schleudern, ist meist physischer und erotischer Natur zugleich. Was dem begnadeten Irrenhausbewohner Adolf Wölfli nicht vergönnt war, seine Phantasmen und genialen Sinfonien, welche durch sein Hirn brandeten, in den Klangraum zu übertragen – THE BLECH haben sich eine solche Audiosphäre geschaffen. Sie haben sich weit hineingewagt, in den Bereich der experimentellen Popmusik – da mutiert Rummelplatzstimmung folgerichtig in den gireigen Sog von bedingungsloser Dancefloormotorik. Keine zurückgebliebenen Puristen also, sondern Vorreiter einer neuen Generation geistreicher deutschsprachiger Pop-Protagonisten. THE BLECH steht mit an vorderster Stelle, wenn man über den Sound der kommenden Jahre spekuliert. THE BLECH hat sich durch die Art und Weise wie ein Bedrängnis Wünsche offenbart, aber auch Möglichkeiten öffnet, einen wichtigen Platz in der Musikgeschichte geschaffen.

KOMPLETTE ARTIKEL in  deutsch

Dada und Dance

Was ist das Ergebnis, wenn ein mit bayerischer Volksmusik aufgewachsener, doch späterer Experimentalmusiker, ein ehemaliger Punk/Metal-Fan, doch späterer Student des Operngesangs, ein in klassischer Komposition, Geige und Klavier Geschulter, sowie eine kanadisch-deutsche Jazzmusikerin in einer Band kollidieren? Stildefinition: Wgsrtft.

The Blech vereinen das scheinbar Unvereinbare. Zwischen Tango und New York-Groove flakkern melancholische Lieder, arabische Träume, Heldenarien. Im italienischen Bel Canto zuckt der alte Weill, steppen die Grazien der Goldenen Zwanziger, defilieren spanische Toreros.

Mit einer Kombination von Spracherprobungen und Musikexperimenten wurde die Band, seit sie 1985 mit ihren Blech-Konstruktionen die Szene betrat, bekannt. Sie arbeiteten mit dem Dichter Jerome Rosenstock und schufen ein Konzept-Werk über den legendären, psychisch kranken Künstler Adolf Wölfl.

Ihr musikalischer Output ist bunt wie die Welt. Harter Dancestoff und kammermusikalischer Ethno-Chanson. Everthing Goes. Das läßt eigentlich auf eine Herkunft aus einem multikulturellen Zentrum wie Berlin oder Hamburg schließen. Doch nein, The Blech nennt das beschauliche »Konschtanz« am Bodensee seine Heimat. Schwer, dort das Ohr am Puls der Welt zu haben.

Hubl, »Ethniker« und Kopf der Band, antwortet am Telefon: „Ich habe früher in einem noch kleineren Kaff im Pfälzerwald gelebt, mit 300 Einwohnern. Das wäre nicht gegangen, wenn ich mein Tonstudio nicht gehabt hätte, wo viele Musiker ein und aus gingen.

Ich habe dort mit Yoruba-Trommlern aus Nigeria, Indianern aus Südamerika, türkischen Musikern und Musikern aus dem Ostblock und New York gearbeitet. Ich habe mich eine Zeit lang mit kurdischer Musik beschäftigt, weil ich eine kurdische Platte produziert habe, zur gleichen Zeit arbeitete ich mit HipHop-Künstlern aus Frankreich. Es hat ein großer Austausch stattgefunden – viele fremde Welten waren dort vertreten. Und das ist auch hier in Konstanz so. Wir sind viel unterwegs, es kommen aber auch viele Musiker hierher, die etwas mit uns zusammen machen wollen. Diese Treffen führen zu neuen Ideen.

Es ist fast so, als wenn ich in New York leben würde (grinst). Nur lebe ich hier billiger. Jeder von uns hat ein starkes Interesse an jeder Art von guter Musik. Wenn du eine Liebe zur Musik entwickelst, sie verinnerlichst, dann gibt es keine Grenzen“.

Dieser Austausch mit anderen Kulturen bewahrt The Blech vielleicht auch davor, zu sehr in die intellektuelle Ernsthaftigkeit zu verfallen, die in der Szene sonst so weit verbreitet ist. Bei ihnen passiert es eben schon mal, daß freie Jazzpassagen al la New York plötzlich mit bayerischer Blasmusik zu Valentinaden verkaspert wird. Das Gerede von der Trennung von Kopf und Bauch ist bei The Blech kein Thema, es geht immer leicht und groovend.

„In der Band gibt es eine intellektuelle Ansätze. Generell ist aber bei jedem die Tendenz, erstmal zu machen, zu leben, zu fühlen, und später darüber nachzudenken, was man eigentlich gemacht hat“.

Neben den radikalen Musikexperinienten präsentiert The Blech eine ebenso radikale Show. Geschminkt und schrill kostümiert, überzeichnen die Vier mit ironischen Theaterelementen, was schon in der Musik steckt, und lassen ihr Unwesen zwischen allen Stühlen und Stilen kinderleicht und völlig selbstverständlich erscheinen. Musik wie eine Wiese wilden Unkrauts.

A. Borchers

The Blech im Gespräch

KB: Mit wem reden wir jetzt? Dürfen alle was sagen, oder redet nur einer?

RV: Wir reden alle. Aber Hubl wird wahrscheinlich am meisten babbeln!

HG: Nein, stimmt gar nicht. Ich halt’s Maul!

RV: Nein, du sollst ja auch…
(unverständliches Durcheinander)

RV: Was ist das überhaupt für eine Frage?

KB: Das ist eine sehr wichtige Frage!

RV: Ich habe gesagt, die beiden (?) machen das Interview, aber wenn ich komme, will ich mitreden – d.h., ich muß nicht…

KD: Aber du darfst schon?

RV: Ja!

HG: Nein, wir machen das so – Shirley ist jetzt die Chefin. Jeder darf mal der Chef sein.

RV: Blödsinn, Blödsinn, Blödsinn!

KB: Liebt ihr euch?

RV: Nein!

SH: Doch!

RV: Wir gehen auch nicht in die Kirche. Wir zahlen keine Steuern, gehen zum Klauen…. klauen uns Zeug zum Fressen.

HG: Ha, die Liebe wechselt manchmal, aber mir geht’s schon so, daß ich die Blechler liebe… (Rupi spricht dazwischen). Also, laß mich doch mal ausreden…
(Gelächter)

RV singt: Die Liebe, die Liebe ist eine Himmelsmacht!

KB: Was macht ihr eigentlich mit der ganzen Kohle, die ihr verdient?

RV: Die verfressen wir gnadenlos – verfressen und versauffen!

HBW: Und zwar einmal im Monat. (Alles lacht)

RV: Die Band hat einen Wahnsinnsruf, aber wie steht es mit eurem marktwirtschaftlichen Wert!

HBW: Am Anfang war alles so haarsträubend, normalerweise würde keiner dran denken, sowas wie Blech zu machen: jahrelang für keinerlei lohnende finanzielle Anerkennung zu arbeiten. Es ist zwar schön, wenn die Leute zu Tausenden von dir schwärmen und dir Briefe schreiben, aber wenn du nicht weißt, wie du am nächsten Ersten deine Miete zahlst, dann ist das schon komisch. Aber das dann eben trotzdem zu machen… ist dermaßen idiotisch. In dem Moment, wo man aber anfängt, es zu machen, ist es auch wieder so gut, ist die Rückwirkung, der Effekt so stark, daß aufzuhören reiner Blödsinn wäre!

Aber wir nutzen noch lange nicht alles aus, was möglich wäre!

HG: Warum nicht? Weil das entsprechende Management fehlt! Weil die Leute hintendran fehlen. Wir hatten mal ein Angebot von EMI. Der Firmenvertreter meinte, wir sollten es versuchen. Aber die haben nicht die Sprache drauf, uns breiter reinzubringen. Da werden dann Probevorstellungen bei Hauptredakteuren gemacht, und wenn die nicht ziehen, ist die Sache gestorben. Mit Cassiber z.B. war das so.

Da hat Teldec den Vertrieb gehabt. Heiner Goebbels hat uns gesagt, nee, macht’s nicht, wir haben über die auch nichts verkauft. Oder Frieder von den Dissidenten, ein Freund von uns, die hatten einen Vertrag mit USI, auf Empfehlung von David Byrne, der hat das in Amerika herausgebracht. Aber Frieder hat gesagt, da geb‘ ich keinen Penny drauf. Er hat immer so gearbeitet, daß er die eigene Infrastruktur soweit wie möglich erweitert hat, daß er dann automatisch die Leute kennengelernt hat, auf die er sich verlassen konnte.

Oder die ganzen anderen Beispiele, die man kennt, wie Philipp Boa. Was ist aus denen geworden? Was wir brauchen, ist ein guter Manager, der gute Kontakte in unserer Szene hat. Es gibt im Moment zwei Leute, die in Frage kommen. Einer in Frankfurt, einer in Bremen. Der eine soll sich um die Promotion kümmern: alles was mit Presse, Radio, Fernsehen zu tun hat. Der Andere (JARO Medien GmbH) checkt die Tourneen Interviews ab und veröffentlicht die Tonträger.

Schön wäre auch ein zahlungskräftiger Sponsor. Wir haben soviele Ideen, die sich nur mit Kohle realisieren lassen: Big Band zum Beispiel.

RV: Oder man lädt zwei Sängerinnen vom Bulgarischen Frauenchor ein oder andere spannende Gastmusiker und versucht neue Verbindungen zu schaffen. Wir sind uns über unsere Struktur im klaren, jetzt muß es weitergehen, darüber hinausgehen!

KB: Seid ihr käuflich?

RV: Was heißt das: käuflich? Natürlich bin ich käuflich! Ich war es öfter und dann wieder denke ich: oh Kacke, ich werde immer unkäuflicher! Mir geht’s nicht nur um die Kohle. Im Prinzip versuchen wir alles zu kommerzialisieren, was es zu kommerzialisieren gibt. Warum auch nicht, wir wären ja blöd, wenn wir’s nicht täten. Wiederum hat es für mich nichts mit Kommerz zu tun, wenn ich eine Idee habe und Anstrengungen dafür unternehme, viele Leute für diese Idee zu begeistern.

KB: Ihr habt vor der Wahl für die PDS gespielt!

HG: Also, bevor das Konzert bei der PDS angefangen hat, hab‘ ich gesagt, wir spielen zwar hier für die PDS bei einer Wahlveranstaltung, aber wir als THE BLECH identifizieren uns nicht unbedingt mit der Partei und ihrem Programm. Es heißt also nicht, daß ich am 2. Dezember zur Wahl gehe und PDS wähle, es heißt aber auch nicht, daß ich die PDS nicht wähle. Ich hab‘ gesagt, für mich ist THE BLECH eine eigene Partei und wir haben unser eigenes Programm und das werden wir heute abend vorstellen. Ich hätte auch für die Nazis gespielt, na klar. Ich finde Auseinandersetzungen sehr wichtig, in jedem Bereich. Ein Gig für die Nazis, wäre eine Konfrontation, aus der Dialoge enstehen könnten! Gespräche sind immer und überall eine Basis der Demokratie!

RV: Mit dem, was wir machen, sind wir eine Bewegung. D.h., wir entscheiden uns für uns, und die anderen entscheiden für die anderen!

KB: Seid ihr unabhängig vom Publikum?

HBW: Publikum und Musiker haben unterschiedliche Rollen. Das Schöne auf der Bühne ist, wenn auf der anderen Seite ein Funke überspringt und plötzlich ist ein Konnex da. Das ist oft ganz verrückt! Das sind einfach diese beiden Welten. Und du kannst dich nicht ins Publikum reinversetzen, du kannst nicht sagen, ich will, daß das Publikum das und das macht. Das Publikum ist jedesmal neu zusammengesetzt. Du kannst nur deine Sache machen, so gut wie möglich und hoffen, daß dieser Funke überspringt. In der Hand hat man das selbst nur, wenn man kalkuliert, daß dieser Funke überspringt. Aber dann verliert alles an Lebendigkeit und Risiko. Was THE BLECH aber auszeichnet, ist das Risiko, das in jedem Konzert und in der Musik selbst steckt.

RV: Aber was passiert, wenn du als Band nicht den Nerv triffst?

HG: Da muß ich meine Lieblingsgeschichte erzählen, wie wir das erste Mal in Polen waren: wir waren alle total euphorisiert, wow, das erste Mal in Polen. Das war 1987 in einem Klub in Krakau. Der Klub war total voll und wir spielten unser erstes Stück. Das Stück war fertig – und keiner klatschte! Nicht einer. Wir schauten uns an. Ist das in Polen vielleicht so? Also, zweites Stück, aufgehört, wieder keiner geklatscht. O.K., meine Güte, wir waren immer noch gut drauf. Wir haben gesagt, denen zeigen wir’s trotzdem. Vielleicht liegt’s ja daran, daß die keinen Alkohol kriegen, vielleicht sind sie kollektiv deprimiert? Also, drittes Stück gespielt. Wieder klatscht keiner. Das gibt’s doch nicht! Unser damaliger Geiger Bagdad ging dann ans Mikro: „Polish people, now I play a song, and this song is very very short, it´s really fucking short, but it´s only for you and it’s called KAPUSTA“ – das heißt SAUERKRAUT – und dann fidelt er los – schräg wie Papa auf dem Heimweg – und schreit zum Schluß nochmal KAPUSTA! – Kurze Stille! „And now polish people, I play another song, and this song is very short, but it’s only for you and it’s called KAPUSTA!“ Und ab ging die Post ab – die Leute haben angefangen zu klatschen und zu toben wie die Verrückten. Danach waren die wie umgedreht, wir konnten spielen, was wir wollten. Das das war dieser Funke zum Publikum. Die haben gemerkt, dass wir nicht irgendwelche Außerirdische sind und es lag an uns diesen Funken zu zünden. Das war ein Supererlebnis, unglaublich!

KB: Warum habt ihr kurze Haare?

RV: Nächstes Thema! Bullshit, Bullshit!
(Gelächter)

RV: Wir haben überhaupt einen neuen Musiker in der Band!

KB: Nämlich?

RV: Shirley Hofman!

KB: Wie kam das, Shirley? Im Kulturladen hat es sich angehört, als wenn du schon länger dabei bist!

SH: Tja, wie kam ich in die Gruppe? Über Hubl. Der hat eine Platte aufgenommen mit dem alten Keyboardspieler Therofal und da hab ich was drauf gespielt.

HG: Ich hab damals gedacht, ja gibt’s denn das?

RV: Shirley ist super! Sie groovt total!

HG: Was mich so beeindruckt hat: Sie kam an und ich fragte sie, ob sie was spielen will? Sie hat sich dann ein Stück einmal angehört und Posaune dazu gespielt. Und ich fand’s super. So locker, so improvisiert, und wie ich dann hörte, daß sie auch noch Keyboard spielt und singt …

SH: … und ein Auto hat … (Gelächter)

HG: … und gut aussieht, das Auto meine ich! Nee, Scherz. Sie hat nur einen Fehler: Als ich gestern ein Solo spielte, da ist sie mir durch’s Bild gelaufen!

SH: Ah!

HG: Aber aus meinem Ärger haben wir dann wieder einen Gag entwickelt: Sie muß den Rock hochziehen und ein Schild hochhalten: Drum Solo Hubl Greiner!

KB: Shirley, wie lange bist du jetzt dabei?

SH: Seit Juni etwa.

KB: Wie kommt es, daß es mit euch schon so gut klappt?

HG: Sie ist halt gut! Z.B., bei unserer ersten Probe: Der Therofal hat seine Keyboardsachen auf Video aufgenommen. Shirley schaut sich die Sachen an. Da war das ganze Programm drauf und ich dachte in etwa zwei Wochen hat sie´s drauf. Nach drei Stunden kommt sie und sagt: Fertig! Und sie spielt das Zeug und groovt auch noch!

KB: Therofal hat seine Hände am Keyboard aufgenommen?

SH: Ich habe ihn aufgenommen!

RV: Sie hat das absolute musikalische Gespür.

SH: Für mich ist das so eine Sache mit dem Üben. Ich finde das gar nicht so schwer. Ich verstehe nicht, warum ihr manchmal so beleidigt seid?

RV: Na, weil’s bei mir nicht so leicht geht!

KB: Wir haben vorher über das Haareschneiden gesprochen. Ihr habt dazu eine Maschine benutzt! Was haltet ihr von Maschinen? Ihr heißt THE BLECH, ihr spielt Instrumente, keine Maschinen!

SH: Doch sehr viele!

HG: Was ist eine Maschine? Ist das eine Maschine? Nein, das ist ein Schlüssel! Ist ein Hammer eine Maschine? Nein, das ist ein Werkzeug.

RV: Wir nehmen Maschinen und Werkzeuge zum Spielen!

HG: Also, ich find Maschinen gut, ausser Maschinen-Gewehre!

KB: Was haltet ihr von Urlaub?

HBW: Also, ich hab‘ einmal Urlaub gemacht in meinem Leben. Da bin ich mit Freunden ins Tessin gefahren. Wir sind mit dem Auto hochgefahren und haben uns in die Sonne gelegt und am zweiten Tag hab ich mir überlegt, wie ich jetzt am besten wieder wegkomm‘ von dem Ort. Soviel zum Thema Urlaub.

HG: Gibt’s für mich nicht! Weiß nicht, kenn‘ ich nicht!

HBW: Urlaub braucht man eigentlich nur, wenn man etwas macht, was man sonst nie macht!

RV: Urlaub gestehe ich mir dann zu, wenn ich ausruhen muß. Weil ich alles sehr konzentriert mache.

HBW: Aber dann bleibst du hier, gehst nicht in Urlaub, fährst nicht weg.

RV: Wenn ich mit der Band zusammen bin, muß ich mich irgendwann aufgrund der Anstrengungen dazu entschließen, jetzt brauch‘ ich zwei oder drei Tage Ruhe… dann fahr‘ ich heim!

SH: Genauso bei mir: Wenn ich heimfahre, ist es auch Urlaub!

KB: Bei dir ist daheim natürlich auch ziemlich weit weg!

SH: Eben, da muß ich mir zwei, drei Wochen Zeit nehmen.

NE: Wenn ich heimführe, wüßt‘ ich gar nicht wohin.

KB: Wir danken euch für dieses Gespräch!

The Blech im Gespräch mit Norbert Eierding und Peter Regelmann

Unglaubliche Vielfalt obskurer musikalischer Zitate und Klangcollagen

Sind sie nun geniale Musikscharlatane, Klangchronisten unserer von unzählbaren seeligen und unseeligen Ereignissen bestimmten Welt oder gar die wahren Vertreter der Weltmusik“?

Wohl kaum eine andere Band bietet diese unendliche Vielfalt an obskuren musikalischen Zitaten, an textlichem (Sur)Realismus, an atemlosen auf und ab unglaublicher Klangcollagen und Grooves. Als kulturelle Botschafter unserer Zeit haben The Blech“ das Publikum schon weltweit in ihr Panoptikum musikalischer Skurilitäten entführt. Ausgedehnte Tourneen führten die Band durch die USA, Kanada, durch Südamerika, die UdSSR, Jugoslawien, die CSFR und Mitteleuropa.

Vier echte Vollblutmusiker zeichnen für den kollektiven lndividualismus verantwortlich:

Hubl Greiner ist wohl einer der innovativsten und experimentierfreudigsten Schlagzeuger unserer Zeit. Seit siebzehn Jahren arbeitet er als Musiker, Komponist und Produzent. Seine Laufbahn führte ihn mit Talkingdrummern aus Afrika, Indianern aus Südamerika, mit Undergroundmusikern des Ostblocks und Jazz- und Rockmusikern der zeitgenössischen Musik zusammen.

Rupert Volz‘ Stärken liegen in der vitalen Verkörperung des musikalischen Konzeptes und im spontanen Ausdruck. Seine stimmlichen Kapriolen versetzten selbst Uninteressierte in rätselloses Erstaunen.

HB-W stieß im Mai 1989 zu The Blech. Seine Vergangenheit liegt in den Bereichen Komposition, Improvisation und im Musiktheater. Seine Instrumente sind Violine, Violektra, Keyboards und Sampier.

Therofal ist als Keyboarder, Bassist und Sänger die harmonische und melodiöse Basis der Band. Er arbeitete jahrelang als Studiomusiker und Produzent in den Studios von London mit den unterschiedlichsten Musikern zusammen.

Boesler, Schmitz 1990

Aggressivität und Schönheit

„The Blech“, eine der gegenwärtig interessantesten deutschen Bands im Avantgarde-Bereich wird zu Recht mit einer so wichtigen Gruppe wie „Cassiber“ verglichen; auch live stellen die drei Musiker das eindrucksvoll unter Beweis.

Düstere Klangcollagen bestimmen den Beginn des Konzerts, ein harter, durchgehender Beat diktiert das rythmische Geschehen. Harsche Gitarrenriffs attackieren wohlklingende Keyboardunterlagen, wechseln mit schrillen Einwürfen der Trompete. Anfänglich noch mühsam, später immer souveräner, liegt der Gesang von Rupert Volz über dem packenden Treiben der Mitspieler – seine Fähigkeiten stehen exemplarisch für die musikaiische Kompetenz der Gruppe insgesamt.

Fast nahtlos wechselt er von freien Vokalspielereien zu vibrierenden klassisch intonierten Melodien, löst sakrale Assoziationen in wortlosen Monologen aus Tönen und Phantäsiewörtern auf – die Texte auf der LP sind dem Dada-Dichter Hugo Ball gewidmet – und deklamiert gemeinsam mit Therofal holzige Refrains. Ohne Bruch überführt er die melodischen Motive in sein Trompetenspiel; freie, jazzige Einsprengsel strukturieren den Ablauf der Stücke.

„The Blech“ vemengt, kombiniert und synthetisiert Elemente aus verschiedenen musikalischen Schulen und Kulturen zu einer wuchtigen Verbindung aus „Aggressivität :und Schönheit‘, wie Hubl Greiner das Konzept der Gruppe treffend beschreibt.

An seinen perkussiven Gerüsten orientieren Therofal und Rupert Volz die intelligent aufbereitete Mischung aus geräuschvollen Experimenten, harmonischen Melancholien und ethnischen Spurenelemeanten. Der stilistische Bogen ist weit gespannt: Von Free-Punk, Noise-Funk, Jazz und weiter noch bis Eisler reichen die Zitate, deren Integration in ein schlüssiges und zugleich offenes Konzept „The Blech“ so gut gelungen ist.

Warum also klagen, es gäbe nichts Neues mehr zu entdecken. Solange solche Gruppen existieren, die offensichtlich wenig belastet vom unbedingten Drang nach Innovation aus vorhandenen Materialien derart Musik machen, ist dazu kein Grund.

H. Möhrle

Performance und Wahnsinn

Ungewöhnliche Avantgarde-Klänge
The Blech mit strukturiertem Chaos

HAMBURG (ast). „Wahnsinn“, hallt eine Frauenstimme durch die spannungsgeladene Stille und spricht die Gedanken der Zuhörer nach einer Riesenperformance, bestehend aus einem sehr wohl strukturierten und dennoch heillosen Chaos aus Worten, Klängen, Stimmen und hintergründigen Satzfetzen, aus.

Die vier weitgereisten Allgäuer Glatzköpfe von „The Blech“ schafften es auch nach diesem Gig, einen aufgewühlten, faszinierten, beeindruckten und zugleich kopfschüttelnden Zuhörer zurückzulassen. Avantgarde, Independant oder einfach nur undefinierbarer Schrott? Von jedem etwas ergibt eine ungeheure Mischung aus Musik und absurdem Musik-Theater, Ernst und Witz, gewürzt mit beißender Ironie.

Wenige Worte, deutsche wie englische Sprachfetzen, hintergründige Zusammenhänge witzig bis aberwitzig verpackt, Songs wie „Ich wollt‘ meine Schuhe zerschneiden“ oder „l put my finger in your skeleton“ werden zu Erlebnissen einer Klang- und Sphärenwelt, produziert von Drummer Hubl Greiner. Geniale, zugleich chaotische Spontaneität verkörpert der Volz auf seiner Trompete. Auch die waghalsigen stimmlichen Abenteuer dieses „Blech“ Sängers Rupert Volz versetzen in wahres Erstaunen.

Neben „Die einsame Träne“ und dem „Pufflied“ wird das „Spanische Begräbnis“ zu einer Farce voller Spott und Hohn: feurige spanische Rhythmen, die Keyboarder und Geiger HB-W mit bierernster Miene auf seiner Elektrovioline fiedelt, Hubl Greiner dagegen mit grinsendem Gesicht weit ausholend auf die Drums einschlägt.

O. Bär

Unmöglich! So was sollte man nicht tun!

Dieser Ausruf wäre als Urteil über die Musik von The Blech eines durchschnittlichen deutschen Produzenten wohl normal. Doch gerade deswegen tun sie es: Sie verbinden Folklorezitate mit Dancefloor-Rhythmen, Schlagermelodien mit Freejazz-Splittern, und wenn man sich darüber fasziniert hat, daß hier endlich einmal jemand im Rockbusiness mit den Mitteln dadaistischer Lyrik auf intelligente Weise an deutsche Texte herangeht, singen sie schon wieder Spanisch.

Sie tun es mit der Unbefangenheit eines afrikanischen Eingeborenen, den man heute auch schon mit dem Ghettoblaster umhergehen sieht, oder mit der Unbekümmertheit eines sogenannten Geisteskranken, wie dem Künstler Adolf Wölfli, zu dessen Ehren sie auf einer ihm gewidmeten Compilations-LP einen Beitrag lieferten. Kurz gesagt: Sie tun Unmögliches.

Genau dies macht es aber aus, daß The Blech unterdessen nicht nur in der deutschen Artrockszene, wo man sie am ehesten lokalisieren könnte, sondern vielleicht in der ganzen Popszene eine der wenigen Bands mit wirklich eigenständigem Stil sind. Im Ausland gelten sie sogar schon als die Vorzeigeband deutscher experimenteller Popmusik schlechthin. Das Goethe-Institut schickte sie um die halbe Welt, und in der CSFR wurden sie nach Konzerten für die dortige Bürgerrechtsbewegung zur Band des Jahres 1989 gewählt.

The Blech wollen nach eigenen Angaben dort musikalisch weitermachen, wo die deutsche Avantgarde vor dem Krieg vereitelt wurde, und mit den kulturellen Erfahrungen ihrer weltweiten Reise verknüpfen. So wurde ihre letzte Platte in Brasilien aufgenommen und ist auch deshalb sehr rhythmusbetont geworden. Auf der Bühne wirkt zunächst eine kalte Ästhetik von synthetischen Klängen und Rhythmen wie auch roboterhafte Choreografie. Diese kontrastieren sie geschickt mit Jahrmarktmelodien und gefühlsduseligen Tangoeinsätzen oder dem exaltierten Gesang.

Ein skrupelloser – musikalischer Dschungel voller Gegensätze also. Mal tanzbar, mal melancholisch, mal humorvoll präsentieren sie sich. Für letzteres sorgen schon Texte wie „Papa pinkelt“ oder der LP-Titel „Ich wollte meine Schuhe zerschneiden“. Osteuropäische Musik kommt genauso zum Zuge wie brasilianische Anklänge. Das bunte Gemisch klingt dennoch überlegt konzipiert . und nach Metropolenmusik. Man sollte sich eine der richtungsweisenden deutschen Bands nicht entgehen lassen.

Frankfurt 1991

EIN INTERVIEW MIT THE BLECH

Sie nehmen das Leben, wie es ist: als ein wahnwitziges Simuttankonzert von Morden, Kulturschwindet, Erotik und Sauerkraut. Sie zerfetzen die Ethik und die Lüge der persönlichen Verantwortung; sie lösen das Leben in ein Gelächter auf. Dieses Leben heißt keineswegs Leben lassen. Dieses Leben heißt auch Gemeinheit, Notzucht und Besoffenheit – es ist der ewige Streit der Gegensätze. (..) Das Paradies zu wollen, ist ein Mißverständnis des Lebens überhaupt.-

Die da das Leben so nehmen, wie es angeblich ist, heißen The Blech; der da beschreibt, wie The Blech das Leben so nehmen, wie es angeblich ist, heißt Hubl Greiner und ist Schlagzeuger, Perkussionist und Produzent einer Band, die der Spiegel als „kompetente Spinner“ und der Stern als „grenzenlos“ bezeichnete. Der hohe Standard des Stoffes, mit dem The Blech ihre Abnehmer versorgen, ist dabei unumstritten.

BÜHNENLEBEN

lnterior.- Ein wesentliches Merkmal Eurer letzten LP besteht in der Mitgestaltung durch Gastmusiker. Jedoch sieht man Euch auf der Bühne fast ausschließlich in der Grundbesetzung – aus finanziellen Gründen?

Greiner: Mit den Gastmusikern treten wir nie auf. Die Gastmusiker waren immer nur als Studioprojekt einbezogen. Bei der letzten Produktion war das im Fall von Ze Eduardo Nazario eh klar: Ich bin mit dem provisorischen Band noch Brasilien geflogen und habe in Sao Paulo Musiker gesucht. Ich dachte anfangs, das wäre total einfach – es hat zwei Monate gedauert bis ich einen Musiker wie Nazario gefunden habe. Das war dann aber genau auf den Punkt getroffen, ein wirklich tolles Erlebnis. Ich mache eigentlich immer einen Trennungsstrich zwischen der Studioarbeit und den Auftritten. Die Arbeit im Studio ist für mich näher am Musiker, ich kann arrangieren – live ist das ganz anders…

lnterior: Beinhaltet dieser Unterschied auch abweichende lnterpretationstormen?

Greiner: Im Studio schöpfen wir halt Sound-Möglichkeiten aus, die wir auf der Bühne nicht haben. Auf der Bühne ist ein anderes Moment da. Da geht es um die Power, die Person, die das Ganze repräsentiert. Das hat beides seinen Reiz, an beidem kann man arbeiten.

DEFINITIONEN

lnterior: Würdet Ihr Euch als avantgardistisch bezeichnen?

Greiner: … als Unterhaltungsmusiker.

lnterior: Was darf man von einer Band erwarten, die von der ‚Bravo‘ „bewußtseinserweiternd- genannt wird?

Greiner: Ich habe gar keine Lust das zu definieren, weil das ‚Bravo‘-Mist ist. Das haben die geschrieben, um was zu schreiben – damit kann ich auch nichts anfangen. „Bewußtseinserweiternd-, das ist Quatsch.

Was man vielleicht sagen kann: ich erhoffe mir, daß wir die Phantasie anregen, einen Phantasieraum öffnen. Es ist schön, wenn Leute auf unsere Arbeit reagieren, für sich dabei etwas herausziehen und vielleicht auch anfangen, selber kreativ zu werden. Und wenn’s nur einer ist von Vielen, dann hat das Ganze einen Sinn – aber das hat nichts mit Bewußtseinserweiterung zu tun.

POLITISCH

lnterior: Seht Ihr Euch als politische Band?

Greiner: Alle Art von Musik ist politisch.

lnterior: Implizit, sicher – und ausdrücklich?

Greiner: Es gibt keine konkrete politische Aussage, für mich ist trotzdem alles politisch, was wir machen. Wir stehen auf der Bühne und vermitteln Bilder die die Öffentlichkeit reflektiert. Das sind Prozesse, die wirklich stattfinden. Wir sind unterhaltend, aber wir fordern die Leute auch – die Leute werden mit uns und unseren Idee konfrontiert.

lnterior: Der Begriff der Unterhaltung ist in diesem Zusammenhang etwas schwierig. Wir sprechen doch wohl nicht von der breiten Masse, sondern von einem ganz bestimmten Publikum…

Greiner: Auch ein „ganz bestimmtes Publikum“ liebt gute Unterhaltung.

RUHM UND EHRE

lnterior: Weiche Rolle spielt der Erfolg?

Greiner: Erfolg gibt Befriedigung. Erfolg ist für mich alles, was Deine Person ausmacht. Ohne Erfolg kannst Du nie gute Arbeit machen.

Du machst natürlich dein eigenes Ding. Wir haben eine klare Vorstellung von dem, was wir machen wollen. Bestes Beispiel. Wir haben für die letzte Platte ein Angebot von Ariola gehabt.

lnterior: Warum habt Ihr abgelehnt?

Greiner: Ich traue den Leuten nicht. Die haben keine Erfahrung wie man mit unserer Art von Musik umgeht. Und ich traue uns nicht. Wir lieben unsere Unabhängikeit, sie ist unser kreativer Nährboden.

Ich versuche lieber meine eigene Infrastruktur so gut wie möglich auszubauen. Das ist die Basis.

VON ZWECKEN UND MITTELN

Musiker wie wir sollten auch von der Musik-Industrie lernen. Beispielsweise wenn es um den visuellen Zugang zur Musik auf der Bühne geht. Die ‚Einstürzenden Neubauten‘ haben das schon immer getan.

lnterior: Die Methoden sind egal?

Greiner: Nein, aber es ist schwer zu entscheiden, was richtig ist. Ich versuche auf eine gesunde Art selbstkritisch zu bleiben.

lnterior: Von der Label-Philosophie zu einer konkreten Frage. Mit „Der Zertretene Mann Blues“ habt Ihr ein Gedicht von Ernst Jandl vertont. Kennt er das Stück?

Greiner: Ja, er war begeistert und freute sich sehr, daß wir es vertont haben. Wir sind Fans von Ernst Jandl. Er ist ein großer Mann.

GESAMTKUNST

lnterior: Eine weitere Episode in der Band-Geschichte oder ein Schritt in Richtung Gesamtkunstwerk?

Greiner: Es hat immer wieder am Rande damit zu tun. Unser Aktivitäten sind für mich persönlich ein wichtiger Teil meiner Entwicklung, genau wie für die Band. Bei jedem Versuch eine Idee zu realisieren, kommt ein neuer Horizont dazu – das ist ein guter Weg, sich zu entwickeln.

lnterior: Welche Rolle spielt für Euch die Spontaneität?

Greiner: Es gibt Momente, die klar strukturiert und konzipiert sind und es gibt Momente, in denen die Improvisation fester Bestandteil ist. Das ist beides wichtig und wird sich nicht ändern.

Tom Hulks 1992

Jazz, Disco-Beat und No-Wave-Noise

Weil diese Mischung aus Disco-Beat und No-Wave-Noise, punkigem Sprechgesang und Free-Jazz-Trompete, Experimental-Rock und Arabischem auf keinen Stilbegriff zu bringen ist, haben schon die Kritiker der ersten Platte (1986) die Band kurzweg zur Avantgarde erklärt.

Jazz etwa ist hier nur als fernes Echo vernehmbar, so im psychedelischen „Demain Matin“ oder im freien Mittelteil von“ Papa pinkelt“. Denn obgleich Sänger/Bläser Volz solistisch im Vordergrund steht, dreht sich die Musik von The Blech um Strukturregie, Klangvorstellungen, konzipierte Elektronik – Dinge, die dem individualistisch orientierten Jazz nie wichtig waren.

Wo er auf Interpretation, Mitteilung und Linearität setzt, da unterstreichen die „Blech“-Texte das Rätselhafte, nicht Kommunizierbare, das Kompakte. War das nun deutsch oder türkisch, schlägt hier die Grammatik Purzelbäume oder sind die Sätze rückwärts gesungen oder wurde, als es wie eine Versöhnung von Arnold Schönberg und Nina Hagen klang, vielleicht nur undeutlich artikuliert?

Auch wenn diese Musik Rezeptionsgewohnheiten durchbrechen will, sperrt sie sich doch nicht der Eingängigkeit; das Ungelöste oszilliert traumatisch weiter durch Gehör und Gehirn.

H-J. Schaal

Die futuristischen Traditionalisten

Der Schlagzeuger trägt Sonnenbrille, auf einem schwarzrot-gold gestreiften Herrenhemd eine diametral entgegengesetzt gemusterte Weste, sein Lächeln trieft schmalzig, die Bewegungen sind kantig. Am E-Bass hampelt ein verhinderter Rock’n Roller herum. Den voluminösen Herrn am rechten Rand ziert ein klassischer Anzug, er vertauscht Funktion und Handhabung seiner instrumentalen Bestandteile: Auf einem statisch gehaltenen Bogen streicht er seine Geige hin und her, rauf und runter. Hinter dem Euphonium grinst endlich auch ein weibliches Gesicht hervor, nimmt sich galant, aber bestimmt ein Stück vom Aktionsradius des neben ihr tobenden, singenden Derwischs.

Alles Schwindel?

»Ich bin mit bayrischer Volksmusik aufgewachsen und ich glaube, daß die ersten Jahre deiner Kindheit entscheidend sind. In deinem Verhalten als Mensch anderen Menschen gegenüber, dir selbst gegenüber, aber auch in deinem Ausdruck als Musiker oder Bauarbeiter.« Hubl, einer der beiden Gründer der seit 1985 in mutierenden Besetzungen existierenden The Blech, zeigt mit derartigen Statements dem Fach- und Avantgardepublikum seine kühle Schulter.

Daß aber auch ein eingefleischter Bayer den Rest der Welt kennen kann, diesen lebenden Beweis liefert der eigenwillige, dynamisch-disziplinierte Drummer gleich mit. »Unsere Musik ist eine Parodie auf das Leben … eine harte Musik, die die Realität zeichnet und Abstraktionen hervorruft.«, schrieb der Produzent, Multiinstrumentalist, Komponist, Lautdichter und Menschenfreund bereits in einem 1986, anläßlich ihrer ersten LP The Blech, erscheinenden informationsblatt.

»Uneitle Virtuosität« bescheinigte die Augsburger Allgemeine der Veröffentlichung; das Jazzpodium empfahl die »… gelungene Synthese aus Erfindergeist und Spieltrieb, Phantasie und ethnischem Spürsinn«; in der FAZ wurde die Scheibe zum Geheimtip geadelt.

Alles Schwachsinn?

Aus einem schaurigen Tango wird ein orientalisch angehauchter Bierzelt-Hit, treibende Beats fallen in ein Glas Champagner und tauchen als Roundabout wieder auf. Tradition und Moderne gehen eng umschlungen auf dem Jahrmarkt der Stile spazieren; Jahrzehnt um Jahrzehnt zieht die Musikgeschichte flanierend an tanzwilligen Kopffüßlern und undogmatischen Zaungästen vorbei.

I put my finger in your skeleton, Iput my finger in your into singt DER VOLZ zu einem davongaloppierenden Schlagzeug und einer romantischen Geige, wirft dabei die Beine weit von sich. Kaum hat der ungewöhnliche Stimmakrobat Luft geholt, da sitzt auch schon das Mundstück einer spanischen Trompete auf seinem Schlund und zitiert das eben gehörte in einer nervös vibrierenden Fassung noch einmal herbei.

Die deutsch-englisch-lautmalerischen Wortgebilde, die er der blechspeziellen Mischung aus Jazz, Rock, Chanson, Noise, Volks- und Tanzmusik jeder Nationilität überstülpt, sind seine ureigenste Form des Ausdrucks – und doch direkte Nachfahren der seltsamen Songs eines Kurt Schwitters oder der Poesie eines Hugo Ball. Folgerichtig vertonte er zusammen mit seinem kongenialen Pendant Hubl schon vor Jahren die zwei Originallautgedichte des Dadaisten, „Seepferdchen und Flugfische“.

Alles Scherben?

»Wie Blech früher war, da wär ich nicht dabei gewesen … « Die diszipliniertere Songform, die verzinkt-verzahnten Arrangements, die sich im Lauf der Jahre entwickelt haben, konkretere Vorstellungen von der Charakteristik der Musik, Shirley Hofmann weiß, wovon sie spricht. Die in Kanada geborene, studierte Musikerin und Komponistin hat kommerziellere Ecken des Marktes schon ausgeleuchtet. Mit der Bayerischen 7, einer siebenköpfigen, weiblichen Blaskapelle, sorgte sie für Unterhaltung in Bierzelten und auf Fernsehbildschirmen.

»Was passiert, wenn sieben Frauen in Bayern in ein Bierzelt kommen und spielen? Das ist interessant!« Durch ihre böhmischen Eltern den Traditionen volksnaher Blasmusik durchaus verbunden, wiedert sie allerdings der Rest der dazugehörigen Szenerie an. Acht Instrumente und ihren Gesang setzt die besonders dem Euphonium verbundene Musikerin bei The Blech ein, ihr distanzierter Charme, ihre Erfahrungen als Tambourmajor in einer Marchingband komplimentieren die Choreographie ihres Auftretens.

Alles Show?

Mit Plattendealern laufen Verhandlungen. Eine Sparte „Skrupellose Musik“ soll für die bislang fünf Scheiben (inclusive einer Compilation) von The Blech geschaffen werden, andere, geistesverwandte Werke sind dort ebenfalls willkommen. »Es ist ja nicht so, daß wir es gewohnt wären, Schlager oder Volksmusik oder was immer zu spielen. Wenn irgendeine Stilistik auftaucht, dann ist die eigentlich nur als Gedanke, als Aura da.

Das heißt, wir müssen uns das in irgendeiner Weise aneignen. Was rauskommt, ist automatisch gefärbt durch die jeweiligen Persönlichkeiten, dadurch kriegt das dann diesen typischen Klang, den Blech hat. HB-W – auch in Großbuchstaben – Geiger mit ad acta gelegten Lehraufträgen all der Hochschule für Musik in Karlsruhe und Nebentätigkeiten im improvisierten Klangbereich, hat für zusätzliche harmonische und melodische Höhepunkte gesorgt.

Die 1992 erschienene CD Liebeslieder, die im April auf dem japanischen Markt erscheinen wird, macht seinen Einfluß hörbar. In Polen gibt es bereits mehrere Bands, die nur Blechsongs spielen, in Russland werden sie gefeiert von einem der populärsten Radio-Musikredakteure. Seine Sendung, die regelmäßig von 7 Millionen Menschen gehört wird, hat dort ebenfalls Bands inspiriert, Songs der Bayern zu covern.

Alles Schwindel?

Anna Bianca Krause

Kinderlied und Dada

Stan Red Fox, The Blech und Blurt im Posthof Linz

Ein Fest für alle, deren musikalische Sinne noch nicht durch, Ö3 Gedudel zerrüttet sind: Zwei deutsche und eine englische Combo fetzen berauschende Klangstrukturen in den Saal, bereiten mit ihren zwischen Kinderlied und Dadaismus oszilierenden Nummern nachhaltige Freude.

Zunächst zu den Besten unter den Guten: Wer The Blech‘ nur von Platte kennt, hat bloß eine Ahnung von dieser Gruppe. Sie hat alles drauf zwischen Tango und Punk, zwischen Polka und Industriesound. Diese Ingredienzien vermanschen die Berliner nicht x-beliebig, sondern weben sie zu einer reich stukturierten Einheit. Und Frontmann« Rupert Volz ist nicht allein wegen seiner Stimme ein Hammer.

(gsto)

Metropolen-Beat

Die Nadel verläßt routinemäßig die Auslaufrille der Schallplatte, kehrt in ihre Ruhelagerung zurück und hinterläßt ein furchtbar fades Gefühl – so ähnlich wie beim ersten Arbeitstag nach ausgedehnten Sommerferien. Gemeint ist die dritte LP von der deutschen Band The Blech mit dem Titel „Ich wollte meine Schuhe zerschneiden“, die nur so strotzt vor feuriger Energie und keinen Platz für Mittelmäßigkeit läßt.

Die Faszination der Musik von The Blech wurzeit in jener einmaligen Komplexität vielfältiger Einflüsse aus dem gesamten Repertoire moderner Musik. Jazzsequenzen, ‚Art-Rock‘ Elemente, Noise-Funk, exotische Rhythmen (auch mal ein Charlston oder eine melancholische Ballade) werden zerlegt und mit respektlosem Humor wieder neu zusammengefügt in einer wahnwitzigen Buntheit, die jeder Beschreibung spottet.

Jedes Stück der LP ist ein kleines Kunstwerk für sich. Die Gesamtheit des Tonträgers zeichnet sich gegenüber den beiden Vorgängern durch mehr Geschlossenheit und auf den Punkt gebrachte Ideenvielfalt aus. (Alle drei Platten sind im Handel erhältlich.) Als Bereicherung für die Gesamtkonzeption der Band hat sich das virtuose Spiel von Helmut Bieler-Wendt an Violine und Violectra erwiesen. Er kann auf Erfahrungen aus der improvisierten Musik zurückgreifen.

Der Schlagzeuger und perkussive Tausendsassa Hubl Greiner (auch Produzent dieser LP) ist derzeit wohl der kreativste seines Metiers in Mitteleuropa. Seine vitale Dynamik bestimmt den Pulsschlag der Gruppe.

Therofal am Keyboard und Bass liefert das harmonische Pop/Rock-Fundament.

Die überdrehten Gesangskapriolen von Rupert Volz in deutscher, spainscher und englischer Sprache sind für den markanten Sound maßgebend. Zur Abrundung der LP, die in Brasilien und im Klang & Hammer Studio Konstanz aufgenommen wurde, trägt die hohe Anzahl von Gastmusikern (u.a. dem exzentrischen Alvaro) bei.

Prädikat: „Ich wollte meine Schuhe zerschneiden“ ist eine der aufregendsten Schallplatten der letzten Jahre. In Sachen eigenständiger Rockmusik hat die Bananenrepubiik Deutschland Entwicklungshilfe leider bitter nötig. Eine höchst erfreuliche Ausnahme bildet hier The Blech.

(hö)

Tanz auf den Ruinen der Musik

Da leben sie nun schon seit einigen Jahren in Konstanz und trotzdem sind „The Blech“ außerhalb ihrer Wahlheimat bekannter als in der Konzilstadt. Das Ouartett um die beiden bayerischen Bandgründer Hubl Greiner und Rupert Volz alias „Der Volz“, die ihre Zelte in Konstanz aufgeschlagen haben, zählen weltweit zu den interessantesten Formationen abseits des Hitparadenrummels kurzlebiger Popbands.

Zudem ist die 1985 gegründete Gruppe einer der Exportschlager in Sachen deutscher Pop- und Rockmusik. Ausgedehnte Tourneen durch ganz Europa, Brasilien, Nordamerika, Russland, Sibirien, Kanada und Japan belegen das. Begeisterte Kritiken in der in- und ausländischen Presse, ob nun „Spiegel“, „Stern“ oder den Zeitungen in Italien oder Osteuropa sind Alltag für die Gruppe geworden. Zusammen mit den beiden anderen „Blech“-Mitgliedern, dem Karlsruher Violinisten Helmut Bieler-Wendt alias „HB-W“ und der in Konstanz lebenden Kanadierin Shirley Hofmann, haben Greiner und Volz jetzt ihr viertes Album veröffentlicht.

Obgleich die „Liebeslieder“ betitelte Platte etwas zugänglicher klingt, als die Vorgänger, sind „The Blech“ immer noch die irritierenden, musikalischen Grenzgänger zwischen den Stilen, wagen die vier den Spagat zwischen poppigen Melodien und schrägen Tönen, treffen in ihren Stücken folkloristische Elemente vom Balkan -oder Mitteleuropa auf Jazz und schlagerartiges, geht rockiges eine fruchtbare Liaison mit experimentellen Ausbrüchen ein.

Vermittelt wird diese eigenartige und in der deutschen Musikszene einzigartige Mixtur mit einem Instrumentarium, das von Gitarre, Schlagzeug und Baß über Keyboards und Sampler bis zu Violinen und Blechbläsern reicht. So spielt die zierliche Shirley Hofmann zum Beispiel nicht nur Posaune sondern auch das Sousaphon, dem optisch mit seinem ausladenden, Schalltrichter reizvollen amerikanischen „Vetter“ unserer Tuba. Vervollständigt wird der typische „Blech“-Sound durch die ausgebildete Tenorstimme des Sängers Rupert Volz, dem keine stimmliche Hürde zu hoch, keine Vokalakrobatik zu schwierig zu sein scheint.

Bei aller Komplexität der Songs scheinen die „Liebeslieder“ dennoch eingängiger geraten als die schrägeren Vorgänger. „Schöne Melodien haben uns halt immer schon gefallen“, meint Schlagzeuger Hubl Greiner, „früher waren die eben kurz und der Rest aggressiver. Daß es nun ein bißchen schöner und weicher geworden ist, ist aber reiner Zufall.

Geblieben ist zudem ihr skurriler, eigensinniger Humor, der sich nicht nur in den von Volz geschriebenen Texten und den Songtiteln zeigt. Da heißt ein Stück etwa im Untertitel „Kommen Sie doch bitte in mein Bett“, ein anderes schlicht „Das Bierlied“ oder ganz prosaisch, englisch, „Don ‚t touch my bicycle, only kiss my umbrella“, also „Berühren Sie mein Fahrrad nicht, küssen Sie lieber meinen Regenschirm“.

Aufgenommen haben „The Blech“ ihre Platte im hiesigen „Klang & Hammer-Studio, dessen Miteigner Blech-Schlagzeuger Hubl Greiner ist. Immerhin zwei Jahre hat die Gruppe an der Platte gearbeitet, sich für das Einspielen und Bearbeiten ein ganzes Jahr lang Zeit gelassen.

(tobo)

Fantastisches Musikspektakel

Ob die Macher in Köln wohl so genau wußten, wen sie sich da eingeladen hatten?

Hubl Greiner, der Schlagzeuger und Arrangeur der Band, gibt den anderen Musikern ein atemberaubend virtuoses und vor wilden Polyrhythmen nur so strotzendes Fundament, das schnell eine fast hypnotische Wirkung ausübt, hat man sich ersteinmal darauf eingelassen.

Therofal benutzt den Synthesizer nicht zur Imitation herkömmlicher Instrumente und Sounds (das wäre wohl auch unter der Würde der Musiker), sondern kreiert mit Sampler und Sequenzer neuartige Klänge, die sich zusammen mit dem – stellenweise an Laurie Anderson erinnernden – Violinspiel von »Bagdad« und der ekstatischen Trompete (Don Cherry läßt grüßen!) und dem Nonsens-Scat-Dada-Gesang von Rupert Volz zu einer aufregenden, ungemein phantasievollen Mixtur verbinden.

Verschiedene Schüsseln dienen der Gruppe als Perkussionsinstrumente, der Elektrobaß wird auf den Knien wie ein Keyboard gespielt.

Die Entdeckung der letzen Jahre – unbedingt hingehen – Wahnsinn!!!

P. Hahn 1987

The Blech – The Blech

Reden…

Da fliegt dir doch eben jenes weg, das ist doch, aber hallo. Blecherner Noise-Funk, schräg und kratzig, mit eminentem »drive«, wie man hierzulande sagt. Freejazzige Bläser auf schweren Beats leiten wohlklingende KeyboardSounds ein, der »weiß-Gottnicht-jedermanns-GeschmackGesang«, melodisch und rauh, rockige Gitarrenriffs – das ist z.B. »Pypl Garda« auf Seite zwei der ersten LP von »THE BLECH«.

über…

ist das die Antizipation einzelner Töne des lang ersehnten nächsten Akkords in der musikalischen Phylogenese? Womöglich Ausblick auf die utopische Versöhnung zwischen Klang und Geräusch als integralem Bestandteil breitester gesellschaftlicher Emanzipation? Werden die Verhältnisse nach diesem Metrum tanzen, das notwendig die Aufgabe der Vermittlung übernimmt, das nicht Erziehung, sondern Bildung, also »Ungleichheit für alle« (Heydorn) ist?

Musik…

Nein, »THE BLECH« nimmt nichts vorweg, Rupert Volz, Hubl Greiner und Therofal nehmen auf, was andere vorbereitet haben, beschreiten die abseits vom asphaltierten Freeway der »mittlere(n) Kultur des Musikalischen« (Adorno) geschlagenen Pfade. Dort haben vorher der Free-Jazz, Punk, experimentelle Geräuschmusik (eine unvollständige Aufzählung) ihre Spuren hinterlassen.

Namen drängen sich auf, Adrian Belew etwa, dessen Gesangsstil dem von Rupert Volz sehr nahe kommt, aber bei weitem nicht so vielfältig entwickelt ist, wie bei dem »BLECH«-Vokalisten: Er läßt orientalische Elemente einfließen, wendet sich Al Jarreaus Vokalspielereien zu, erweitert sie oder deklamiert in holzigen Chorälen dem Dada-Dichter Hugo Ball gewidmete Phantasietexte.

Mehr dem Jazz verhaftet bleiben seine Motive, wenn er zur Trompete greift; verbindlich dabei ist die Kohärenz der vielschichtigen Klanggeflechte insgesamt, nicht die tonale Gesetzgebung. Das gilt für die Band überhaupt. Hubl Greiners klare percussiven Entwürfe – auch hier werden Assoziationen an Meilensteine der Musik, etwa David Byrnes und Brian Enos »My life in ihe bush of ghosts«, wach – bilden einen klaren, exzessiv genutzten Rahmen für zahlreiche harmonische Eskapaden und Geräuschminiaturen von Keyboards, Gitarren und Tapes.

Der eng an die rhythmischen Vorgaben angelehnte Bass unterstreicht mit nach vorne gerichteten, treibenden Betonungen die beständige Unruhe in den Kompositionen; überprüft man dessen Diktion auf ihre Herkunft, bleibt im zehnten Jahr danach die Erkenntnis: Nicht bloß Jazz und Funk, auch Punk ist mittlerweile Tradition. Neben den beiden Multiinstrumentalisten Greiner und Volz wirken bei der Gruppe noch Therofal (Bass, Gesang, Computer) und zahlreiche Gastmusiker mit, unter anderen die kurdische Sängerin Delal. Der Bezug auf unterschiedliche kulturelle und musikalische Traditionen ist wesentlicher Bestandteil des »BLECH«Konzepts.

»Unsere Musik ist eine Parodie auf das Leben hier und jetzt. Eine Musik, die von Verbindungen lebt und in keine Norm paßt. Eine harte Musik, die die Realität zeichnet und Abstraktionen hervorruft. Eine Musik, in der sich unser anarchistischer Humor widerspiegelt. Wir wollen eine Verbindung aus Agressivität und Schönheit herstellen«. (Hubl Greiner)

Ist…

Also eine ganz dem Jetzt verhaftete Musik, ohne antizipierenden Anspruch, ohne Inanspruchnahme der Zukunft, nur der Vorbereitung assoziativen Handelns und Hörens verpflichtet?

»THE BLECH« sammelt, vermengt, synthetisiert, hofft auf Verbindungen, die selbständig reagieren, explodieren, Wirkung zeigen. Vielleicht ist gerade die vom unbedingten Drang nach Innovation freie Risikolust entscheidende Voraussetzung für findendes Bewußtsein in der Musik. Das löst die Verwendung bereits vorhandenen Materials aus dem Stigma des schon Dagewesenen heraus, macht das Zitat produktiv, verwendbar.

»Agressivität und Schönheit« klarer und offener können die Pole, zwischen denen diese Gruppe pendelt, nicht beschrieben werden. Die Agressivität ist reflexiv, nicht blind der bloßen Entladung verpflichtet, kontrolliert und produktiv.

Harsche Geräusche stehen im Diskurs mit akkustischen Schönheiten, der Dissenz ist konstitutiv, offenbart Genuß, fordert rationale Anstrengung, ist in jeder Phase plausibel. Undogmatisch im besten Sinne forschen die »BLECH«-Musiker nach einer musikalischen Kultur des Widerspruchs, der sich vermittelt und nicht Zuflucht in der Entfremdung sucht – eine permanente Herausforderung an die Avantgarde.

BLECH…

Diese LP braucht man nicht als revolutionär zu bezeichnen. Sie ist es nicht. Trotzdem kommt dem nun vorgelegten Produkt eine große Bedeutung zu: Das »fortschreitende« Schöpfen aus musikalischen Traditionen mit einem solch hohen Maß an intellektueller Experimentierfreude und gleichzeitiger Zugänglichkeit – betreibt in der Bundesrepublik gegenwärtig (vielleicht Cassiber noch) niemand so gut wie »THE BLECH«. Sie decken eine schmerzliche Lücke auf.

Den Mangel an innovativen Impulsen auszumachen, dazu bedarf es nicht sehr viel. Manch ein Kritiker macht es sich da zu leicht und den Musikern noch schwerer. Gerade deshalb ist es notwendig, für jene Gruppen sensibel zu sein, die zwischen herrschenden Hörgewohnheiten und akustischen Provokationen vermitteln können, ohne den hegemonialen Tendenzen der einen oder anderen Seite zu unterliegen. Die Gehörbildung, die »THE BLECH« betreibt, steht im Widerspruch zur Herrschaft beider Blöcke. Sie ist aufklärerisch.

H. Möhrle 1987

Beat der Metropolen

Was die Mitarbeiter des Goethe-Instituts, unzählige Kritiker und Veranstalter in aller Welt zu einem eindeutigen Urteil bewegte, wurde nun auch vom Publikum in Moers bestätigt: „The Blech“ hat den richtigen Beat. Dieser manifestierte sich beim Konzert oft so metallisch und erbarmungslos hart, daß man sich in einem lärmenden Walzerk glauben konnte. Andere Songs hatten eine unsagbare Milde und setzten den Collagen das andere Extrem als Kontrast gegenüber. Die Stile wurden durch den Fleischwolf gedreht. Nicht um sie schamlos zu zerfetzen, sondern zum Zwecke einer Regeneration – Fragmente ergänzten sich zum homogenen Ganzen.

Eine coole Barmusik etwa, mit gestopfter Trompete, hätte aus einem futuristischen New Orleans stammen können. Wird man im 21. Jahrhundert so Louis Armstrong interpretieren? Wurden orientalische Motive westlich verrockt, sah man im Geiste eine Beduinen-Karawane durch die Wüste ziehen.

Dank der bizarren Arrangements stellte man sich diese allerdings auf Motorräder und nicht auf Kamelen vor. In monotonen Folgen wütete schließlich die ungeordnete Energie des frühen Punkrocks und machte die Verwirrung perfekt: Wer dies alles sinnvoll unter einen Hut bekommt, hat seine Hausaufgaben gemacht. Der Blech´sche Metropolen-Beat funktioniert nach seinen eigenen Regeln.

Kurt Weill und Hanns Eisler mußten die Köpfe herhalten, hie und da waren Chanson-Tupfer gut zitiert. Die „Dissidenten“, „Blech“-Freunde, klangen an und die New-York-Noise-Szene hat ihre Spuren à la Fred Frith, Arto Lindsay oder David Moss hinterlassen. Eine subtile Klangforschung erinnerte an „Cassiber“ und die Dada-Parallelen („The Blech“ arbeitete mit Hugo-Ball-Texten) riefen noch einmal das eindrucksvolle Konzert der DDR-Band „Merz Jazz“ vom letzten Moers-Festival in Erinnerung. Das Trio spielte sein Spiel mit den Traditionen ohne Rücksicht auf Verluste. Klischees wurden ironisiert, Gängiges wurde minuziös zerpflückt. Es gab solides, bei Schlagzeug und Gesang gar erstaunlich perfektes Handwerk im rein musikalischen Bereich.

„The Blech“, das ist die Lust auf Unorthodoxes, das ausgelassene Vergnügen am Experiment und die Ablehnung dessen, was mit einiger Sicherheit in eine künstlerische Sackgasse hineinsteuert. Dominant blieb dabei vom ersten bis zum letzten Takt der Respekt vor der musikalischen Ästhitik.

U. Puuen

Tönende Exzesse

…Lauschangriffe“ von „The Blech“ und anderen in der Nürnberger Desi

„Die Macht der Narren“ hieß das Motto einer langen Nacht der Reihe „Lauschangriff“ in der Nürnberger Desi, und erklärtes Ziel war es,“den breiten Hintern der Bürger mit wahrem Sprengstoff zu versorgen“ – musikalischem, versteht sich. Heitere Aussichten! Das Programm verhieß dazu „kreischende und zirpende Klanggewitter“, die Entfesselung des „miesen Seins“ und tönende Exzesse im irrwitzigen Spiel dreier Gruppen, die bei Szene-Spezialisten bestens bekannt sind: „Blurt“, „The Blech“ und „Stan Red Fox“. Eine Weile mußte man sich im rauchigen und überfüllten Desi-Foyer die Beine in den bürgerlichen oder nichtbürgerlichen Bauch stehen – doch nach angemessener Verspätung konnte das unorthodoxe Adventsspektakel dann losgehen.

Für ein musikalisches Ereignis sorgte das Quartett „The Blech“, das mit seinen zeitgenössisehen Mini-Hördramen bei Anhängern der Rock- und Jazz-Avantgarde schon viel von sich reden gemacht hat. Mit ihren Text-Musik-Geräusch-Inszenierungen scheinen die vier in die Fußstapfen der englisch-deutschen Artrockband „Cassiber“ zu treten.

Sänger Rupert Volz mit seiner Sträflingshaartracht agiert auf der Bühne wie vom Erdbeben geschüttelt und singt mit schneidend scharfer Stimme kunstvoll Verrücktes: verwegene Schmettertenor-Passagen, verquere Jodler, Obertongesänge nach buddhistischer Mönchsmanier und witzige Schlagerschmalz-Reminiszenzen. Ein genialer Dilettant? Nichts da, Volz ist ausgebildeter Sänger.

Was die Band mit verfremdeter Geige, Keyboards, Schlagzeug und Minitrompete zuwege brachte, war schlichtweg packend, ob nun die Vertonung eines Heinrich-Heine-Gedicht („Die einsame Träne“) als grandiose Leier-Arie oder Ernst Jandls „Der zertretene Mann Blues“ (über jemanden, der die Hand nicht hob zum NaziGruß) als ungemein dichtes, anspielungsreiches Hör-Szenarium. Und live fesselt das Ganze noch weit mehr als auf Platte.

Die anderen Bands der Ohrattacken-Nacht blieben ziemlich hinter „The Blech“ zurück. „Stan Red Fox“, ein Trio mit stilisiertem Ekelburschen-Image, servierte Dada-Punk, zerkreischte Balladen, zerstobenen Hardrock, gerülpsten Funk und kracherten Garagenswing mit schöner Präzision, Witz, verschlüssiglten Texten und gebührender Aufdringlichkeit, aber wenig Ausstrahlung.

Und um Mitternacht kam die Kultfigur des Programms: Ted Milton mit seinen zwei Begleitern (zusammen heißen sie „Blurt“). Geister konnte er jedoch nicht unbedingt wecken. Milton blies zickig-befremdliche Saxophon-Schrillheiten und schicke mit dämonischem Raunen rätselhafte Botschaften ins Publikum. Eine interessante Musikgewohnheiten-Aufstörung war die Lauschangriff-Nacht jedoch allemal. Für Nachholer: Die drei beteiligten Gruppen haben bei dem unabhängigen HEUTE-Labei in Kempten Schallplatten veröffentlicht.

Rudi Spiegel

Jazz-Wilde in der Mälzerei

Was bleibt einem Konzertveranstalter schon anderes übrig, als einen der Top-Acts des Jahres in den höchsten Tönen zu loben und gewagte Superlative aneinanderzureihen, um das potentielle Publikum von „The Blech“ neugierig zu machen. Das „Spannendste“, „Zeitgenössischste“ und“Irritierendste“ wird da wortgeschöpft und so schöne fremdsprachige Attribute zitiert wie „A lot of intelligence and energy in this group“ oder „0 eurioso termo power trio“.

Eine rechte Vorstellung von dem zu Erwartenden vermag man aber noch nicht zu gewinnen. Die kurzgefaßte Besetzungsliste mit Keyboards, Drums und Gesang hilft hier auch nicht viel weiter und selbst die zahlreichen Kategorisierungsversuche mit dem Tenor „Rapartwalznoiseethnojazzbarfunk“ fallen ins Leere.

Was bleibt den Interessierten, die immer noch wissen wollen, was das eigentlich ist, anderes übrig, als selbst hinzugehen, sich ,“The Blech“ anzuhören und nicht zuletzt anzusehen. Nun werden sie feststellen, daß kaum eine vermeintliche Übertreibung ausreicht, um das Geschehen auf der Bühne zu skizzieren, kaum ein noch so komplexes Label auch nur annähernd das umreißen kann, was die Band da zusammenfügt. Was bleibt der Band anderes übrig, als bei solch hohen Erwartungen schon bald Schlips und Sakko abzulegen und in Wechselwirkung mit einem begeisterten, bald tobenden Plublikum eine schweißtreibende Show zu liefern.

Mit einem hart zupackenden Drummer, der auch schon mal mit Sampler arbeitet, einem Keyboarder für die harmonische Fülle und mit einer beeindruckenden stilistischen Vielfalt und vor allem der flexiblen Stimme des Sängers Rupert Volz, der auch das Bachtrompetchen gar trefflich zu schmettern weiß, produziert „The Blech“ eine hinreißende Fusion aller Stile der U-Musik. In einem überzeugenden Konzept von ungeheurer Bandbreite, vorgetragen mit Esprit und Charme, beinahe so etwas wie Charisma, entsagen sie aber zu mosaikhaftem Aneinanderreihen oder kleinkariertem Defaitismus.

Nach einem weiteren Zitat, daß nämlich „The Blech“ eigentlich jeder Beschreibung spotte und dem Wagnis, eine solche doch zu versuchen, bleibt dem Rezensenten nichts anderes übrig, als eine kurze Zusammenfassung und eine Empfehlung zu formulieren: Multikulti, fetter Groove, Köpfchen und much fun: „The Blech“. Merken und bei nächster Gelegenheit anhören, möglichst live.

B. Kloss

Avantgarde in der »Zelle«

Düstere Klangcollagen, ein harter Beat, kantige Gitarrenriffs, wohlklingende Keyboardphrasen und schrille Trompeteneinlagen stehen auf dem Programm, wenn die berühmtberüchtigte Avantgarde-Formation «The Blech« zur Tat schreiten wird. Hubl Greiner, Rupert Volz, Therofal und Bagdad gelten als eine Band, die »süchtig« macht.

Nach dem Genuß ihrer ausgefallenen Darbietungen für starke Nerven geraten die Kritiker scharenweise in Ekstase. Die Frankfurter Allgemeine bezeichnet sie als »wirklichen Geheimtip«, der Stem beschreibt ihre Musik als »Synthese aus ungezügeltem Spielwitz und ungeahntem Erfindergeist«, die Nümberger Nachrichten nennen sie »eine der wichtigsten Avantgardegruppen«.

Hubl Greiner, der als Kopf der Kombo gilt, beschreibt ihr Konzept folgendermaßen: »Wir vermengen, kombinieren und synthetisieren Elemente aus verschiedenen musikalischen Schulen und Kulturen zu einer wuchtigen Verbindung aus Aggressivität und Schönheit. Je intensiver die Medien das Publikum überfluten, desto unsensibler wird es.

Gewohnheiten kristallisieren sich heraus. Das am häufigsten Gehörte wird am leichtesten angenommen. Bald ist es das Einzige, das noch verdaut wird. Die Gewöhnung bestimmt den Konsum. Wir wollen Gewohnheiten brechen und Phantasieräume schaffen«.

Heiner Lauter

Studentenfutter im Sauschdall

… Dann schon lieber „The Blech“, sehen und … Brechend voll war es im Sauschdall, als die weltgereisten Musiker die Bühne betraten und sich als Quintett präsentierten. Der Volz und sein Ur-Partner Hubl Greiner hatten Herrn HBW, die Posaunistin Shirley Hofman und die brasilianische Bassistin Sandra Continho mitgebracht, um das Wort Innovation mit neuem Glanz zu bestücken.

Rupert Volz, verkannter Operettenstar und Schrilltrompeter, hat mit der Kanadierin Shirley die optimale Partnerin. Sie verstanden sich als Gesangsduett oder präziser Bläsersatz gleichermaßen prächtig. Wie immer sorgte Hubl Greiner für einen rhythmischen Unterbau aus Live-Drums und Sequenzern, für den andere Bands drei spezielle Techniker beschäftigen. Optimal ins Bild paßte auch HB-W, der nicht nur Violine und Keyboards spielt, sondern auch locker als Nosferatus Sohn durchgeht. Die Basserin bewältigte das Programm sitzend, was der Musik nicht anzumerken war.

„The Blech“ sind nicht mehr nur gut. Sie sind eine perfekte Liveband. High Speed Chansons, furiose Jahrmarkt-Melodien, die von FreeJazz-Improvisationen verschandelt wurden, Wiener Schrammeln oder Rocktamtam.

Die Musik von „The Blech“ ist das Spiegelbild einer schnellebigen Zeit und die deutsche Antwort auf Magma oder Tom Waits. „The River is full of champagne“ und die „Einsame Träne“ wurden zu den abschließenden Höhepunkten eines Konzerts, dem erst bessere folgen müssen.

U. Eberl 1991

Transsylvanien live in der Eberthalle

Die danach kaum mehr für möglich gehaltene Steigerung schaffte dennoch „The Blech“, eine vier Mann Formation aus Frankfurt und München. Es war kaum zu glauben, wie diese Band zu so später Stunde die Zuhörer noch einmal auf die Beine brachte und mit was für einer Musik: Nichts Eingängiges, keinen Millimeter Zugeständnis an vertrauter Töne, sondern treibende Rhythmen, schrille Sounds und wilde Gesänge.

„The Blech“ knüpften da an, wo die französische KultGruppe Magma vor Jahren aufgehört hat, mischen Historisches in Form dadaistischen Sprechgesangs und Modernes in Form New Yorker Noise Anklänge. Daraus entsteht ein rhythmisch-klanglicher Sog, der mit einer Wucht daher kommt, der niemand standhält, wobei die entstehende bedrohliche und bedrückende Atmosphäre, inszeniert durch roboterhafte Gestik und maschinenartige Kälte einer bizarren Parodie auf den realen Irrsinn unserer Zeit sehr nahe kommt.

Christoph Wagner 1987

Wohin dreht sich die Welt?

Package-Tour mit Stan Red Fox, Blurt und The Blech

Die Ausnahme bildete das international renommierte, Techno-Quartett The Blech aus dem Allgäu. Zum RentnerPunk von Blurt und Stan Red Fox boten sie ein Kontrastprogramm.

Ihre Musik trifft den Nerv, vor allem den Nerv der Zeit. In raffinierter Weise haben sie den Grundwiderspruch der Moderne in diffizilen Klangkonstruktionen eingefangen. Auf der einen Seite – die kalte Ästhetik der kalten Welt: Maschinenhafte Präzisionsrhythmen, die Künstlichkeit synthetischer Klänge, eine roboterhafte Choreographie als wichtiges optisches Element, gefühlstaube Melodien.

Auf der anderen Seite toben dagegen die lebendigen Töne an: Jahrmarktmelodien aus Karussellpferdehen, die Gefühlsseeligkeit von Tango und Walzer. Das erzeugt Paranoia, die sich in den Texten äußert- „Mama pinkelt, Papa pinkelt, und die Welt dreht sich!“ Die Frage drängt sich auf: Wohin nur?

Christoph Wagner 1989

Zarah Leander auf dem Rummelplatz

Hubl Greiner liebt’s leger: Er bedient sein Drum-Set mit weit ausholenden Bewegungen, hingeschmiegt wie auf der Wohnzimmercouch. Doch manchmal atmet er tief durch, scheint sich geradezu überwinden zu müssen, seinen geradesten Takt zu schlagen. Dann haben seine Mitmusiker Rupert Volz und Therofal Gitarre und Elektrobaß umgeschnallt und geben den Ton für etwas an, das junge Leute wahrscheinlich „HardcoreSpeed-Trash“, jedenfalls Punk nennen würden. Eine Verbeugung vor dem Rock’nRoll. Schließlich hat es Buddy Holly und Eddie Chochran wirklich gegeben.

Doch die tatsächliche Identität von „The Blech“ ist irgendwo zwischen Hardbob und Free Jazz zu suchen. Obwohl sich das Trio der Formensprache des Rock bedient, bewegt es sich in der Sphäre avancierter Klangfindungen. Die Kombination ungewöhnlicher musikalischer Traditionen und phantasievolle, neue Tonschöpfungen verleihen „The Blech“ das seltene Zugeständnis, wirkliche musikalische Innovationen zustande zu bringen. Die Gruppe bedient sich dabei nahezu lexikalischer Akribie, wenn es darum geht, fremdländische musikalische Erfahrungen in modernsten Sound umzuformen. Die Ethnologen der bundesdeutschen IndependentSzene verbinden arabische Anklänge mit Tango-Versatzstücken, Marschmusik mit fernöstlichen Gebetsriten. Rupert Volz‘ schneidende Stimme schrillt wie der Schrei des Muezzins oder das Gebet eines buddhistisehen Mönches.

Als Basis dient den Musikern dabei ein jazzmäßiger Puls. Was Musiker und Zuhörer spüren, ist wichtiger als das, was sie hören. Jenseits des geschlagenen Taktes baut sich ein gefühltes Kontinuum auf, das dem Trio die Freiheit verleiht, sich weit vom hörbaren Metrum zu entfernen. Das geht soweit, daß sie in freien Passagen plötzlich eine Phrase aus „My Fair Lady“ zitieren, um solch bürgerlichen Kulturausdruck postwendend mit harschem Lachen zu zerstören.

„The Blech“ reiste durch viele europäische Länder, von einem Avantgarde-Festival zum anderen, spielte dabei mit den innovativsten Vertretern der aktuellen Szene und engagierte sich schließlich – und dies mag vielleicht am wichtigsten sein – auf Festspielen der Bildenden Kunst, wie der vergangenen „documenta“ in Kassel. Das Attribut „Kunst“ steht dann auch als zutreffende Beschreibung jener Umgebung, in der die neuartigen Collagen und Tonschöpfungen ihren Platz finden. Hier entsteht gestalteter Klang, mithin eine GegenNatur, die in scharfem Kontrast zu vorgefundenen Werten steht.

In diesen Kontext paßt denn auch die Instrumentierung. Sie konfrontiert die traditionelle Trompete mit allerlei elektronischem Gerät. Es wäre den Multiinstrumentalisten sicher ein leichtes, noch ein Akkordeon auf die Bühne mitzubringen, doch unterstreicht die Tonbildung per Synthesizer noch einmal den absichtsvollen Charakter dieser Musik.

Ähnlich verhält es sich mit den Texten: Wem erschlösse sich schon der Sinn von Worten wie „Remütee“, „Rink Mink“ oder „Krusan“? Den Liedtiteln ist vielmehr eine atmosphärischen Schilderung eigen. Kreativer Ausdruck findet sich im völlig neu Erfundenen. Trotzdem bleibt hier nichts abstrakt. Stets wechseln sich die verschiedensten Bezüge miteinander ab. „Papa pinkelt, Mama pinkelt, Uschi pinkelt: Und die Welt dreht sich“. Dies ist mit Emphase vorgetragen, kommt direkt vom Jahrmarkt oder aus dem Kintopp. Mit weit ausgebreiteten Armen wirft Rupert Volz die Zeilen über die Rampe, als lebe in ihm das fatal-dekadente Ego einer Zarah Leander weiter.

„The Blech“: Das ist eine bunte, humorvolle, virtuose, kompetente Rummelplatz-Attraktion. Statt einer Dame ohne Unterleib taucht der Gast ein in die Ton-Welt kreativer Großmeister, denen kein Klang dieses Globus verborgen blieb. Ob der Synthesizer oder die Spielzeugflöte den Ton angibt: Hier gibt es Weltmusik mit einem festen Standpunkt zu hören. Hereinspaziert in den Musik-Planeten!

S. Dudek

The Blech im Knaack-Club Berlin

Schon einige Bands haben behauptet, mystische Kräfte irgendeiner Art zu besitzen, doch noch keine Combo hat mit der Versicherung geworben, daß sich bei ihren Auftritten die Jungfrau Maria zu offenbaren pflegt. Keine bis auf The Blech. Die vier deutschen Avantgarde-Schamanen reden von Visionen und Erleuchtungen, die sich während ihrer Konzerte zutrugen, und davon, daß sich bisweilen die Mutter Gottes vom Kronleuchter herabläßt.

Bei solchen Behauptungen handelt es sich allerdings nicht um raffinierte Versuche, den katholischen Markt zu knacken. Man hat es hier vielmehr mit einem großangelegten, viele Ebenen und Medien umfassenden Vixierspiel zu tun, das The Blech arrangiert haben, um in der so gestifteten Verwirrung selber dahinter verschwinden zu können.

Ihre Rockmusik zwischen Dadaismus und Tekkno, zwischen David Byrne und Stockhausen, ist mit mannigfaltigen Bedeutungen beladen, doch das Denken, zu dem sie anregen wollen, wird glücklicherweise, nicht auf eine feste Schiene geleitet. Der große Vorteil von The Blech: Sie erlauben die Freiheit der Wahl zwischen unzähligen möglichen Interpretationen. Moderne elektrische „Rockmusik“ enthält in ihrer besten Momenten nämlich genausoviel Ordnung wie Chaos und diese Vereinigung der Gegensätze führt The Blech vor.

Alfred Beier

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