Metropolen-Beat

Die Nadel verläßt routinemäßig die Auslaufrille der Schallplatte, kehrt in ihre Ruhelagerung zurück und hinterläßt ein furchtbar fades Gefühl - so ähnlich wie beim ersten Arbeitstag nach ausgedehnten Sommerferien. Gemeint ist die dritte LP von der deutschen Band The Blech mit dem Titel "Ich wollte meine Schuhe zerschneiden", die nur so strotzt vor feuriger Energie und keinen Platz für Mittelmäßigkeit läßt.

Die Faszination der Musik von The Blech wurzeit in jener einmaligen Komplexität vielfältiger Einflüsse aus dem gesamten Repertoire moderner Musik. Jazzsequenzen, 'Art-Rock' Elemente, Noise-Funk, exotische Rhythmen (auch mal ein Charlston oder eine melancholische Ballade) werden zerlegt und mit respektlosem Humor wieder neu zusammengefügt in einer wahnwitzigen Buntheit, die jeder Beschreibung spottet.

Jedes Stück der LP ist ein kleines Kunstwerk für sich. Die Gesamtheit des Tonträgers zeichnet sich gegenüber den beiden Vorgängern durch mehr Geschlossenheit und auf den Punkt gebrachte Ideenvielfalt aus. (Alle drei Platten sind im Handel erhältlich.) Als Bereicherung für die Gesamtkonzeption der Band hat sich das virtuose Spiel von Helmut Bieler-Wendt an Violine und Violectra erwiesen. Er kann auf Erfahrungen aus der improvisierten Musik zurückgreifen.

Der Schlagzeuger und perkussive Tausendsassa Hubl Greiner (auch Produzent dieser LP) ist derzeit wohl der kreativste seines Metiers in Mitteleuropa. Seine vitale Dynamik bestimmt den Pulsschlag der Gruppe.

Therofal am Keyboard und Bass liefert das harmonische Pop/Rock-Fundament.

Die überdrehten Gesangskapriolen von Rupert Volz in deutscher, spainscher und englischer Sprache sind für den markanten Sound maßgebend. Zur Abrundung der LP, die in Brasilien und im Klang & Hammer Studio Konstanz aufgenommen wurde, trägt die hohe Anzahl von Gastmusikern (u.a. dem exzentrischen Alvaro) bei.

Prädikat: "Ich wollte meine Schuhe zerschneiden" ist eine der aufregendsten Schallplatten der letzten Jahre. In Sachen eigenständiger Rockmusik hat die Bananenrepubiik Deutschland Entwicklungshilfe leider bitter nötig. Eine höchst erfreuliche Ausnahme bildet hier The Blech.

(hö)

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