Unmöglich! So was sollte man nicht tun!

Dieser Ausruf wäre als Urteil über die Musik von The Blech eines durchschnittlichen deutschen Produzenten wohl normal. Doch gerade deswegen tun sie es: Sie verbinden Folklorezitate mit Dancefloor-Rhythmen, Schlagermelodien mit Freejazz-Splittern, und wenn man sich darüber fasziniert hat, daß hier endlich einmal jemand im Rockbusiness mit den Mitteln dadaistischer Lyrik auf intelligente Weise an deutsche Texte herangeht, singen sie schon wieder Spanisch.

Sie tun es mit der Unbefangenheit eines afrikanischen Eingeborenen, den man heute auch schon mit dem Ghettoblaster umhergehen sieht, oder mit der Unbekümmertheit eines sogenannten Geisteskranken, wie dem Künstler Adolf Wölfli, zu dessen Ehren sie auf einer ihm gewidmeten Compilations-LP einen Beitrag lieferten. Kurz gesagt: Sie tun Unmögliches.

Genau dies macht es aber aus, daß The Blech unterdessen nicht nur in der deutschen Artrockszene, wo man sie am ehesten lokalisieren könnte, sondern vielleicht in der ganzen Popszene eine der wenigen Bands mit wirklich eigenständigem Stil sind. Im Ausland gelten sie sogar schon als die Vorzeigeband deutscher experimenteller Popmusik schlechthin. Das Goethe-Institut schickte sie um die halbe Welt, und in der CSFR wurden sie nach Konzerten für die dortige Bürgerrechtsbewegung zur Band des Jahres 1989 gewählt.

The Blech wollen nach eigenen Angaben dort musikalisch weitermachen, wo die deutsche Avantgarde vor dem Krieg vereitelt wurde, und mit den kulturellen Erfahrungen ihrer weltweiten Reise verknüpfen. So wurde ihre letzte Platte in Brasilien aufgenommen und ist auch deshalb sehr rhythmusbetont geworden. Auf der Bühne wirkt zunächst eine kalte Ästhetik von synthetischen Klängen und Rhythmen wie auch roboterhafte Choreografie. Diese kontrastieren sie geschickt mit Jahrmarktmelodien und gefühlsduseligen Tangoeinsätzen oder dem exaltierten Gesang.

Ein skrupelloser - musikalischer Dschungel voller Gegensätze also. Mal tanzbar, mal melancholisch, mal humorvoll präsentieren sie sich. Für letzteres sorgen schon Texte wie "Papa pinkelt" oder der LP-Titel "Ich wollte meine Schuhe zerschneiden". Osteuropäische Musik kommt genauso zum Zuge wie brasilianische Anklänge. Das bunte Gemisch klingt dennoch überlegt konzipiert . und nach Metropolenmusik. Man sollte sich eine der richtungsweisenden deutschen Bands nicht entgehen lassen.

Frankfurt 1991

>> zurück zum Überblick