The Blech im Gespräch

KB: Mit wem reden wir jetzt? Dürfen alle was sagen, oder redet nur einer?

RV: Wir reden alle. Aber Hubl wird wahrscheinlich am meisten babbeln!

HG: Nein, stimmt gar nicht. Ich halt's Maul!

RV: Nein, du sollst ja auch...
(unverständliches Durcheinander)

RV: Was ist das überhaupt für eine Frage?

KB: Das ist eine sehr wichtige Frage!

RV: Ich habe gesagt, die beiden (?) machen das Interview, aber wenn ich komme, will ich mitreden - d.h., ich muß nicht...

KD: Aber du darfst schon?

RV: Ja!

HG: Nein, wir machen das so – Shirley ist jetzt die Chefin. Jeder darf mal der Chef sein.

RV: Blödsinn, Blödsinn, Blödsinn!

KB: Liebt ihr euch?

RV: Nein!

SH: Doch!

RV: Wir gehen auch nicht in die Kirche. Wir zahlen keine Steuern, gehen zum Klauen.... klauen uns Zeug zum Fressen.

HG: Ha, die Liebe wechselt manchmal, aber mir geht's schon so, daß ich die Blechler liebe... (Rupi spricht dazwischen). Also, laß mich doch mal ausreden...
(Gelächter)

RV singt: Die Liebe, die Liebe ist eine Himmelsmacht!

KB: Was macht ihr eigentlich mit der ganzen Kohle, die ihr verdient?

RV: Die verfressen wir gnadenlos – verfressen und versauffen!

HBW: Und zwar einmal im Monat. (Alles lacht)

RV: Die Band hat einen Wahnsinnsruf, aber wie steht es mit eurem marktwirtschaftlichen Wert!

HBW: Am Anfang war alles so haarsträubend, normalerweise würde keiner dran denken, sowas wie Blech zu machen: jahrelang für keinerlei lohnende finanzielle Anerkennung zu arbeiten. Es ist zwar schön, wenn die Leute zu Tausenden von dir schwärmen und dir Briefe schreiben, aber wenn du nicht weißt, wie du am nächsten Ersten deine Miete zahlst, dann ist das schon komisch. Aber das dann eben trotzdem zu machen... ist dermaßen idiotisch. In dem Moment, wo man aber anfängt, es zu machen, ist es auch wieder so gut, ist die Rückwirkung, der Effekt so stark, daß aufzuhören reiner Blödsinn wäre!

Aber wir nutzen noch lange nicht alles aus, was möglich wäre!

HG: Warum nicht? Weil das entsprechende Management fehlt! Weil die Leute hintendran fehlen. Wir hatten mal ein Angebot von EMI. Der Firmenvertreter meinte, wir sollten es versuchen. Aber die haben nicht die Sprache drauf, uns breiter reinzubringen. Da werden dann Probevorstellungen bei Hauptredakteuren gemacht, und wenn die nicht ziehen, ist die Sache gestorben. Mit Cassiber z.B. war das so.

Da hat Teldec den Vertrieb gehabt. Heiner Goebbels hat uns gesagt, nee, macht's nicht, wir haben über die auch nichts verkauft. Oder Frieder von den Dissidenten, ein Freund von uns, die hatten einen Vertrag mit USI, auf Empfehlung von David Byrne, der hat das in Amerika herausgebracht. Aber Frieder hat gesagt, da geb' ich keinen Penny drauf. Er hat immer so gearbeitet, daß er die eigene Infrastruktur soweit wie möglich erweitert hat, daß er dann automatisch die Leute kennengelernt hat, auf die er sich verlassen konnte.

Oder die ganzen anderen Beispiele, die man kennt, wie Philipp Boa. Was ist aus denen geworden? Was wir brauchen, ist ein guter Manager, der gute Kontakte in unserer Szene hat. Es gibt im Moment zwei Leute, die in Frage kommen. Einer in Frankfurt, einer in Bremen. Der eine soll sich um die Promotion kümmern: alles was mit Presse, Radio, Fernsehen zu tun hat. Der Andere (JARO Medien GmbH) checkt die Tourneen Interviews ab und veröffentlicht die Tonträger.

Schön wäre auch ein zahlungskräftiger Sponsor. Wir haben soviele Ideen, die sich nur mit Kohle realisieren lassen: Big Band zum Beispiel.

RV: Oder man lädt zwei Sängerinnen vom Bulgarischen Frauenchor ein oder andere spannende Gastmusiker und versucht neue Verbindungen zu schaffen. Wir sind uns über unsere Struktur im klaren, jetzt muß es weitergehen, darüber hinausgehen!

KB: Seid ihr käuflich?

RV: Was heißt das: käuflich? Natürlich bin ich käuflich! Ich war es öfter und dann wieder denke ich: oh Kacke, ich werde immer unkäuflicher! Mir geht's nicht nur um die Kohle. Im Prinzip versuchen wir alles zu kommerzialisieren, was es zu kommerzialisieren gibt. Warum auch nicht, wir wären ja blöd, wenn wir's nicht täten. Wiederum hat es für mich nichts mit Kommerz zu tun, wenn ich eine Idee habe und Anstrengungen dafür unternehme, viele Leute für diese Idee zu begeistern.

KB: Ihr habt vor der Wahl für die PDS gespielt!

HG: Also, bevor das Konzert bei der PDS angefangen hat, hab' ich gesagt, wir spielen zwar hier für die PDS bei einer Wahlveranstaltung, aber wir als THE BLECH identifizieren uns nicht unbedingt mit der Partei und ihrem Programm. Es heißt also nicht, daß ich am 2. Dezember zur Wahl gehe und PDS wähle, es heißt aber auch nicht, daß ich die PDS nicht wähle. Ich hab' gesagt, für mich ist THE BLECH eine eigene Partei und wir haben unser eigenes Programm und das werden wir heute abend vorstellen. Ich hätte auch für die Nazis gespielt, na klar. Ich finde Auseinandersetzungen sehr wichtig, in jedem Bereich. Ein Gig für die Nazis, wäre eine Konfrontation, aus der Dialoge enstehen könnten! Gespräche sind immer und überall eine Basis der Demokratie!

RV: Mit dem, was wir machen, sind wir eine Bewegung. D.h., wir entscheiden uns für uns, und die anderen entscheiden für die anderen!

KB: Seid ihr unabhängig vom Publikum?

HBW: Publikum und Musiker haben unterschiedliche Rollen. Das Schöne auf der Bühne ist, wenn auf der anderen Seite ein Funke überspringt und plötzlich ist ein Konnex da. Das ist oft ganz verrückt! Das sind einfach diese beiden Welten. Und du kannst dich nicht ins Publikum reinversetzen, du kannst nicht sagen, ich will, daß das Publikum das und das macht. Das Publikum ist jedesmal neu zusammengesetzt. Du kannst nur deine Sache machen, so gut wie möglich und hoffen, daß dieser Funke überspringt. In der Hand hat man das selbst nur, wenn man kalkuliert, daß dieser Funke überspringt. Aber dann verliert alles an Lebendigkeit und Risiko. Was THE BLECH aber auszeichnet, ist das Risiko, das in jedem Konzert und in der Musik selbst steckt.

RV: Aber was passiert, wenn du als Band nicht den Nerv triffst?

HG: Da muß ich meine Lieblingsgeschichte erzählen, wie wir das erste Mal in Polen waren: wir waren alle total euphorisiert, wow, das erste Mal in Polen. Das war 1987 in einem Klub in Krakau. Der Klub war total voll und wir spielten unser erstes Stück. Das Stück war fertig - und keiner klatschte! Nicht einer. Wir schauten uns an. Ist das in Polen vielleicht so? Also, zweites Stück, aufgehört, wieder keiner geklatscht. O.K., meine Güte, wir waren immer noch gut drauf. Wir haben gesagt, denen zeigen wir's trotzdem. Vielleicht liegt's ja daran, daß die keinen Alkohol kriegen, vielleicht sind sie kollektiv deprimiert? Also, drittes Stück gespielt. Wieder klatscht keiner. Das gibt's doch nicht! Unser damaliger Geiger Bagdad ging dann ans Mikro: "Polish people, now I play a song, and this song is very very short, it´s really fucking short, but it´s only for you and it's called KAPUSTA" - das heißt SAUERKRAUT - und dann fidelt er los – schräg wie Papa auf dem Heimweg – und schreit zum Schluß nochmal KAPUSTA! - Kurze Stille! "And now polish people, I play another song, and this song is very short, but it's only for you and it's called KAPUSTA!" Und ab ging die Post ab – die Leute haben angefangen zu klatschen und zu toben wie die Verrückten. Danach waren die wie umgedreht, wir konnten spielen, was wir wollten. Das das war dieser Funke zum Publikum. Die haben gemerkt, dass wir nicht irgendwelche Außerirdische sind und es lag an uns diesen Funken zu zünden. Das war ein Supererlebnis, unglaublich!

KB: Warum habt ihr kurze Haare?

RV: Nächstes Thema! Bullshit, Bullshit!
(Gelächter)

RV: Wir haben überhaupt einen neuen Musiker in der Band!

KB: Nämlich?

RV: Shirley Hofman!

KB: Wie kam das, Shirley? Im Kulturladen hat es sich angehört, als wenn du schon länger dabei bist!

SH: Tja, wie kam ich in die Gruppe? Über Hubl. Der hat eine Platte aufgenommen mit dem alten Keyboardspieler Therofal und da hab ich was drauf gespielt.

HG: Ich hab damals gedacht, ja gibt's denn das?

RV: Shirley ist super! Sie groovt total!

HG: Was mich so beeindruckt hat: Sie kam an und ich fragte sie, ob sie was spielen will? Sie hat sich dann ein Stück einmal angehört und Posaune dazu gespielt. Und ich fand's super. So locker, so improvisiert, und wie ich dann hörte, daß sie auch noch Keyboard spielt und singt ...

SH: ... und ein Auto hat ... (Gelächter)

HG: ... und gut aussieht, das Auto meine ich! Nee, Scherz. Sie hat nur einen Fehler: Als ich gestern ein Solo spielte, da ist sie mir durch's Bild gelaufen!

SH: Ah!

HG: Aber aus meinem Ärger haben wir dann wieder einen Gag entwickelt: Sie muß den Rock hochziehen und ein Schild hochhalten: Drum Solo Hubl Greiner!

KB: Shirley, wie lange bist du jetzt dabei?

SH: Seit Juni etwa.

KB: Wie kommt es, daß es mit euch schon so gut klappt?

HG: Sie ist halt gut! Z.B., bei unserer ersten Probe: Der Therofal hat seine Keyboardsachen auf Video aufgenommen. Shirley schaut sich die Sachen an. Da war das ganze Programm drauf und ich dachte in etwa zwei Wochen hat sie´s drauf. Nach drei Stunden kommt sie und sagt: Fertig! Und sie spielt das Zeug und groovt auch noch!

KB: Therofal hat seine Hände am Keyboard aufgenommen?

SH: Ich habe ihn aufgenommen!

RV: Sie hat das absolute musikalische Gespür.

SH: Für mich ist das so eine Sache mit dem Üben. Ich finde das gar nicht so schwer. Ich verstehe nicht, warum ihr manchmal so beleidigt seid?

RV: Na, weil's bei mir nicht so leicht geht!

KB: Wir haben vorher über das Haareschneiden gesprochen. Ihr habt dazu eine Maschine benutzt! Was haltet ihr von Maschinen? Ihr heißt THE BLECH, ihr spielt Instrumente, keine Maschinen!

SH: Doch sehr viele!

HG: Was ist eine Maschine? Ist das eine Maschine? Nein, das ist ein Schlüssel! Ist ein Hammer eine Maschine? Nein, das ist ein Werkzeug.

RV: Wir nehmen Maschinen und Werkzeuge zum Spielen!

HG: Also, ich find Maschinen gut, ausser Maschinen-Gewehre!

KB: Was haltet ihr von Urlaub?

HBW: Also, ich hab' einmal Urlaub gemacht in meinem Leben. Da bin ich mit Freunden ins Tessin gefahren. Wir sind mit dem Auto hochgefahren und haben uns in die Sonne gelegt und am zweiten Tag hab ich mir überlegt, wie ich jetzt am besten wieder wegkomm' von dem Ort. Soviel zum Thema Urlaub.

HG: Gibt's für mich nicht! Weiß nicht, kenn' ich nicht!

HBW: Urlaub braucht man eigentlich nur, wenn man etwas macht, was man sonst nie macht!

RV: Urlaub gestehe ich mir dann zu, wenn ich ausruhen muß. Weil ich alles sehr konzentriert mache.

HBW: Aber dann bleibst du hier, gehst nicht in Urlaub, fährst nicht weg.

RV: Wenn ich mit der Band zusammen bin, muß ich mich irgendwann aufgrund der Anstrengungen dazu entschließen, jetzt brauch' ich zwei oder drei Tage Ruhe... dann fahr' ich heim!

SH: Genauso bei mir: Wenn ich heimfahre, ist es auch Urlaub!

KB: Bei dir ist daheim natürlich auch ziemlich weit weg!

SH: Eben, da muß ich mir zwei, drei Wochen Zeit nehmen.

NE: Wenn ich heimführe, wüßt' ich gar nicht wohin.

KB: Wir danken euch für dieses Gespräch!

The Blech im Gespräch mit Norbert Eierding und Peter Regelmann

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