Dada und Dance

Was ist das Ergebnis, wenn ein mit bayerischer Volksmusik aufgewachsener, doch späterer Experimentalmusiker, ein ehemaliger Punk/Metal-Fan, doch späterer Student des Operngesangs, ein in klassischer Komposition, Geige und Klavier Geschulter, sowie eine kanadisch-deutsche Jazzmusikerin in einer Band kollidieren? Stildefinition: Wgsrtft.

The Blech vereinen das scheinbar Unvereinbare. Zwischen Tango und New York-Groove flakkern melancholische Lieder, arabische Träume, Heldenarien. Im italienischen Bel Canto zuckt der alte Weill, steppen die Grazien der Goldenen Zwanziger, defilieren spanische Toreros.

Mit einer Kombination von Spracherprobungen und Musikexperimenten wurde die Band, seit sie 1985 mit ihren Blech-Konstruktionen die Szene betrat, bekannt. Sie arbeiteten mit dem Dichter Jerome Rosenstock und schufen ein Konzept-Werk über den legendären, psychisch kranken Künstler Adolf Wölfl.

Ihr musikalischer Output ist bunt wie die Welt. Harter Dancestoff und kammermusikalischer Ethno-Chanson. Everthing Goes. Das läßt eigentlich auf eine Herkunft aus einem multikulturellen Zentrum wie Berlin oder Hamburg schließen. Doch nein, The Blech nennt das beschauliche »Konschtanz« am Bodensee seine Heimat. Schwer, dort das Ohr am Puls der Welt zu haben.

Hubl, »Ethniker« und Kopf der Band, antwortet am Telefon: "Ich habe früher in einem noch kleineren Kaff im Pfälzerwald gelebt, mit 300 Einwohnern. Das wäre nicht gegangen, wenn ich mein Tonstudio nicht gehabt hätte, wo viele Musiker ein und aus gingen.

Ich habe dort mit Yoruba-Trommlern aus Nigeria, Indianern aus Südamerika, türkischen Musikern und Musikern aus dem Ostblock und New York gearbeitet. Ich habe mich eine Zeit lang mit kurdischer Musik beschäftigt, weil ich eine kurdische Platte produziert habe, zur gleichen Zeit arbeitete ich mit HipHop-Künstlern aus Frankreich. Es hat ein großer Austausch stattgefunden – viele fremde Welten waren dort vertreten. Und das ist auch hier in Konstanz so. Wir sind viel unterwegs, es kommen aber auch viele Musiker hierher, die etwas mit uns zusammen machen wollen. Diese Treffen führen zu neuen Ideen.

Es ist fast so, als wenn ich in New York leben würde (grinst). Nur lebe ich hier billiger. Jeder von uns hat ein starkes Interesse an jeder Art von guter Musik. Wenn du eine Liebe zur Musik entwickelst, sie verinnerlichst, dann gibt es keine Grenzen".

Dieser Austausch mit anderen Kulturen bewahrt The Blech vielleicht auch davor, zu sehr in die intellektuelle Ernsthaftigkeit zu verfallen, die in der Szene sonst so weit verbreitet ist. Bei ihnen passiert es eben schon mal, daß freie Jazzpassagen al la New York plötzlich mit bayerischer Blasmusik zu Valentinaden verkaspert wird. Das Gerede von der Trennung von Kopf und Bauch ist bei The Blech kein Thema, es geht immer leicht und groovend.

"In der Band gibt es eine intellektuelle Ansätze. Generell ist aber bei jedem die Tendenz, erstmal zu machen, zu leben, zu fühlen, und später darüber nachzudenken, was man eigentlich gemacht hat".

Neben den radikalen Musikexperinienten präsentiert The Blech eine ebenso radikale Show. Geschminkt und schrill kostümiert, überzeichnen die Vier mit ironischen Theaterelementen, was schon in der Musik steckt, und lassen ihr Unwesen zwischen allen Stühlen und Stilen kinderleicht und völlig selbstverständlich erscheinen. Musik wie eine Wiese wilden Unkrauts.

A. Borchers

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